Die Polizei – dein Freund und Helfer? Für Menschen, die aus einem anderen Land nach Europa einwandern, ist das nicht immer so. Eine Studie an der Goethe-Universität zeigt, wie sich das Verhältnis zur Staatsgewalt bei den unterschiedlichen Zuwanderergruppen entwickelt.
Der Mord an dem schwarzen US-Amerikaner George Floyd im Mai 2020 hat zu weltweiten Protesten gegen Polizeigewalt geführt. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklungen war auch in Europa das Verhältnis zwischen Polizei und ethnischen Minderheiten in der jüngeren Vergangenheit ein viel diskutiertes Thema.
Das Vertrauen, das Immigranten in Europa in die Polizei setzen, steht auch im Fokus einer gerade veröffentlichten Studie von Christian Czymara von der Goethe-Universität und Jeffrey Mitchell von der Universität Umeå (Schweden). Die beiden Sozialwissenschaftler haben die Daten von knapp 20.000 Immigranten aus 22 europäischen Ländern aus den Jahren 2006 bis 2019 analysiert. Diese Daten, die aus dem European Social Survey stammen, zeigen, dass das Vertrauen in die Polizei unter Eingewanderten im Durchschnitt zwar höher ist als bei Einheimischen. Allerdings sinkt das Vertrauen tendenziell, je länger die Menschen bereits im Zielland leben.
Der European Social Survey fragt das Vertrauen in verschiedene Institutionen direkt ab. Die Befragten sollen angeben, wo ihr Vertrauen auf einer Skala von 0 bis 10 angesiedelt ist. Mehr als die Hälfte der Befragten stammen ursprünglich aus anderen europäischen Ländern, 12 Prozent aus Afrika, 25 Prozent aus Asien.
Die Autoren haben zwei Erklärungsansätze für den Umstand, dass das Vertrauen mit der Dauer des Aufenthalts sinkt: Erstens verblasse die Erinnerung an das Herkunftsland und die Zustände dort. Der Kontrast zwischen Herkunfts- und Zielland ist besonders relevant für Menschen, die aus Ländern mit einem geringeren Grad an Rechtsstaatlichkeit in ein rechtsstaatlich weit entwickeltes Land eingewandert sind.
Die zweite Erklärung ist, dass diese Menschen in ihrer neuen Umgebung häufig Diskriminierungserfahrungen machen, insbesondere diejenigen, die dort zu einer ethnischen Minderheit gehören. Darauf weist hin, dass der Effekt von Diskriminierungserfahrungen für Menschen, die schon länger im Zielland sind, stärker ist als für solche, die frisch eingewandert sind. Außerdem machen Vergleiche zwischen den europäischen Ländern deutlich, dass das Vertrauen dort im Durchschnitt geringer ausgeprägt ist, wo es mehr Polizeikräfte gibt – zum Beispiel in Zypern, Kroatien und Griechenland.
Die Autoren ziehen den Schluss, dass das Vertrauen in die Polizei offenbar kaum allein durch die Größe der Polizei gestärkt werden kann, sondern eher über eine Verminderung von Diskriminierungserfahrungen. Bemühungen auf diesem Gebiet würden demnach helfen, das hohe Maß an Vertrauen in die Polizei bei frisch Eingewanderten zu erhalten und das Vertrauen derjenigen, die schon lange in ihrem Gastland leben, wiederherzustellen.
Originalpublikation: Czymara & Mitchell (2022). All Cops are Trusted? How Context and Time Shape Immigrants’ Trust in the Police in Europe. Ethnic and Racial Studies. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/01419870.2022.2060711