„Alzates öffentliche Verteidigung des verbotenen Krauts zeigt allgemeine Streitfragen der mexikanischen Gesellschaft“, bewertet Laura Dierksmeier die Rolle des unbequemen Geistlichen. „Er war ein unermüdlicher Vermittler zwischen kirchlichen Autoritäten und der Zivilgesellschaft, zwischen der spanischen Inquisition und seinen eigenen wissenschaftlichen Beobachtungen, zwischen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit sowie zwischen indigenem und europäischem Wissen. Alzates Methoden waren europäisch und typisch für die Aufklärung, seine Mission und sein Fokus aber waren spezifisch lateinamerikanisch: Er war stolz auf die natürliche Umgebung Mexikos und förderte die Verwendung einheimischer Kräuter, auch wenn dies bedeutete, sie vor dem Verbot der Kirche zu verteidigen.“

Das historische Beispiel zeige, dass die Legalisierung von Marijuana schon sehr lange ein kontroverses Thema sei, wie die Wissenschaftlerin erklärt. Allerdings drohte Kritikern des Verbotes damals die Verbannung oder Todesstrafe. Forscher der frühen Neuzeit nahmen ein großes Risiko auf sich, um Informationen zu veröffentlichen, die ihrer Meinung nach der Allgemeinheit dienten. Alzate selbst musste seine Veröffentlichungen nicht mit dem Leben bezahlen. Jedoch wurden drei seiner Zeitungen zensiert und am Ende eingestellt, um ihn in der Öffentlichkeit mundtot zu machen.

„Die Erkenntnisse der Studie können helfen, die gegenwärtige Legalisierungs-Debatte zu bereichern oder zumindest die verhärteten Fronten aufzubrechen“, sagt Dierksmeier. „Denn laut Alzate und den von ihm zitierten Wissenschaftlern überwiegt der Nutzen der Hanfpflanze als Baustoff oder Medizinpflanze die möglichen Nebenwirkungen. Oder wie José Antonio Alzate y Ramírez selbst sagte: ‚Ich glaube, ich habe die Vorteile der Nutzung von Pipilzitzintlis demonstriert, und wie wir in der Sprache der Theologen sagen: Es ist schlecht, weil es verboten ist, nicht verboten, weil es schlecht ist‘.“

Die Historikerin Dr. Laura Dierksmeier vom Sonderforschungsbereich RessourcenKulturen an der Universität Tübingen untersucht die damalige öffentliche Auseinandersetzung dazu in Mexiko. Ihre Studie „Forbidden herbs: Alzate’s defense of ‚pipiltzintzintlis‘“ wurde am 07. Juli im Journal Colonial Latin American Review veröffentlicht. Dr. Laura Dierksmeier schrieb ihre Dissertation zu einheimischen und missionarischen Bräuchen im frühneuzeitlichen Mexiko. Heute forscht sie im DFG-geförderten Sonderforschungsbereich 1070 RessourcenKulturen an der Universität Tübingen, im Teilprojekt C05 “Inselökonomien. Eine vergleichende

Originalpublikation: Laura Dierksmeier, „Forbidden herbs: Alzate’s defense of pipiltzintzintlis Colonial Latin American Review, 07. Juli 2020, www.tandfonline.com

Anzeige

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein