Symbolbild

Am 18. September startet die neue Bundesliga-Saison. Ein Thema, das im deutschen Profifußball immer wieder kontrovers diskutiert wird, ist die Aufhebung der 50+1-Regel, für die unter anderem bereits Uli Hoeneß plädiert hat. Sie soll im deutschen Profifußball den Einfluss von Investoren begrenzen und besagt, dass der Stammverein die Mehrheit der Stimmanteile in einer Kapitalgesellschaft halten muss. Dr. Sebastian Björn Bauers von der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig hat kürzlich zu dieser Thematik promoviert.

Herr Dr. Bauers, wie ist hier der aktuelle Stand in der Diskussion um die 50+1-Regel?

Dr. Sebastian Björn Bauers: Derzeit prüft das Bundeskartellamt in einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren, ob die 50+1-Regel gegen deutsches und europäisches Kartellrecht verstößt. Das Prüfverfahren wurde durch die DFL, die Deutsche Fußball Liga GmbH, beim Bundeskartellamt beantragt. Bevor auf Ligaebene eine Entscheidung hinsichtlich der Zukunft der 50+1-Regel getroffen wird, ist das Ergebnis des Verfahrens zunächst abzuwarten.

Sie haben gemeinsam mit Ihrem Kollegen Prof. Dr. Gregor Hovemann zu dieser Thematik geforscht und Fußballfans befragt. Wie ist deren Meinung?

Dr. Sebastian Björn Bauers: Im Rahmen unserer jüngsten Befragung befürworten 90 Prozent der befragten Fußballfans eine Beibehaltung der 50+1-Regel. Ein vergleichbares Ergebnis zeigt unsere erste Befragung, welche wir bereits im Jahr 2011 durchgeführt haben. Dieser Vergleich veranschaulicht – bezogen auf die Präferenz hinsichtlich der Zukunft der 50+1-Regel – eine zeitunabhängige Befürwortung einer Beibehaltung. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach den entsprechenden Hintergründen. Dazu haben wir erstmalig aus Fanperspektive die Argumente für eine Beibehaltung und die Argumente für eine Aufhebung empirisch erhoben.

Am häufigsten wurden zwei Argumente für eine Beibehaltung der 50+1-Regel genannt, welche die Partizipation von Fußballfans und Investoren betreffen – es handelt sich um die Argumente „Bewahrung der Mitbestimmungsmöglichkeit durch Vereinsmitglieder beziehungsweise Fans“ und „Ausschluss einer Fremdbestimmung durch Investoren“. Darüber hinaus ist bei der Gegenüberstellung unserer Befragungsergebnisse die zunehmende Befürwortung des Arguments „Ausschluss einer gleichzeitigen Kontrolle mehrerer Fußballklubs durch einen Investor“ von besonderem Interesse, wodurch das Phänomen Multi-Club-Ownership stärker in den Fokus rückt. Dieses Ergebnis lässt sich möglicherweise aufgrund der aktuellen Berührungspunkte hinsichtlich RB Leipzig und RB Salzburg erklären. Argumente für eine Aufhebung der 50+1-Regel wurden im Übrigen nicht mehrheitlich genannt.

Inwiefern haben die Corona-Beschränkungen – Stichwort Geisterspiele – diese Thematik beeinflusst?

Dr. Sebastian Björn Bauers: Die aktuelle Situation veranschaulicht die Bedeutung von Fußballfans. Bei der Produktion eines Fußballspiels handelt es sich um eine Teamproduktion. Beteiligt sind die konkurrierenden Klubs sowie die Fußballfans, die während des Spiels zur Stimmung und damit zur Attraktivität des Spiels beitragen. Bei Geisterspielen entfällt der letztgenannte Akteur, wodurch die Teamproduktion beeinträchtigt ist.

Auch nach den coronabedingten Auswirkungen ist eine Beeinträchtigung der Teamproduktion denkbar, beispielweise durch einen Exit von Fußballfans im Zuge der stetig voranschreitenden Kommerzialisierung und der Vernachlässigung der Faninteressen – entsprechende Beispiele gibt es in England und mit der Gründung des HFC Falke auch in Deutschland. Langfristig bestünde dadurch zudem die Gefahr von Beeinträchtigungen der kommerziellen Verwertung des Profifußballs. Schließlich könnten wir die aktuelle Situation als einen Warnhinweis verstehen, der das Bewusstsein für das Kernprodukt und die „Rolle“ der Fans schärft.

Wer profitiert von der 50+1-Regel, wem würde eine Aufhebung am meisten nützen?

Dr. Sebastian Björn Bauers: Ich knüpfe an meine vorherige Antwort an und gehe dabei erneut auf Fußballfans, im Speziellen auf Vereinsmitglieder ein. Durch die 50+1-Regel bleiben demokratische Strukturen im deutschen Profifußball bestehen, wodurch Vereinsmitglieder die Möglichkeit haben, Einfluss auf „ihren“ Klub auszuüben. Demgegenüber würde eine Aufhebung der 50+1-Regel die Partizipation von Vereinsmitgliedern beschneiden und die Partizipationsmöglichkeiten von Investoren in Form einer Durchsetzung ihrer Handlungs- und Verfügungsrechte erweitern.

Unabhängig von der Entscheidung über eine Beibehaltung oder Aufhebung erscheint ein Aspekt besonders wichtig: Die Entscheidung sollte konsensorientiert sein. Eine diesbezügliche Möglichkeit bei der Entscheidungsfindung bildet die Anwendung des Stakeholder-Ansatzes, der ein wesentlicher Teil unserer Forschung ist. So haben wir neben Fußballfans ebenfalls Fußballklubs sowie aktuelle und potentielle Investoren zur 50+1-Regel befragt. Wir konnten bei der Gegenüberstellung der empirischen Ergebnisse Interessendivergenzen, aber auch zentrale Gemeinsamkeiten identifizieren. Unser nächster Schritt besteht darin, auf der stakeholderorientierten Basis regulatorische Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, welche die DFL als Anregung für eine zukünftige Regulation nutzen kann.

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