Haustürschlüssel, Portemonnaie, Gesundheitskarte, Hotelkarte – künftig könnte stattdessen ein smarter Fingerring reichen. Hergestellt über ein 3D-Druckverfahren ist in ihm ein RFID-Chip integriert, der fälschungssicher, versiegelt und unsichtbar im Fingerring steckt. Natürlich lässt sich die Integration von Elektronik während des 3D-Drucks auch für andere Anwendungen nutzen. Ein Forscherteam des Fraunhofer-Instituts für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV hat den vielseitigen Ring entwickelt.
Wo steckt nur wieder der Haustürschlüssel – hat man ihn etwa im Büro liegen gelassen? Und möchte man an der Supermarktkasse das Portemonnaie zücken, artet auch dies oftmals in einem hektischen Gewühle in der Einkaufstasche aus, da sich das gesuchte Stück mal wieder ganz unten befindet. Ein smarter Fingerring könnte solchen Suchaktionen künftig ein Ende bereiten: In seinem Inneren verbirgt sich ein RFID-Tag, mit dem man an der Kasse bezahlen, die smarte Haustür öffnen, die Gesundheitskarte beim Arztbesuch oder die Schlüsselkarte im Hotel ersetzen kann. Denkbar wäre auch, Gesundheitsdaten wie die Blutgruppe oder Medikamentenunverträglichkeiten darauf zu speichern: Im Falle eines Unfalls hätte der Notarzt umgehend die nötigen Infos zur Hand. Entwickelt wurde der intelligente Fingerring von Forscherinnen und Forschern des Fraunhofer IGCV im Projekt MULTIMATERIAL-Zentrum Augsburg. Das vom Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie geförderte Großprojekt ist in zehn Einzelprojekte gegliedert – darunter das Projekt KINEMATAM, das die Idee und den Demonstrator des smarten Teils liefert.
3D-Druck mit automatisierter Elektronikintegration
Wichtiger als der Fingerring selbst sind jedoch das Herstellungsverfahren und die Möglichkeit, während des Produktionsprozesses eines Bauteils Elektronik integrieren zu können – und zwar auch an Stellen im Bauteil, die sonst unzugänglich wären. Etwa das Innere eines smarten Fingerrings. Beim Herstellungsverfahren kann man im weitesten Sinne von einem 3D-Druck-Verfahren sprechen, im Fachjargon würde es als »pulverbettbasierte additive Fertigung« betitelt. Das Prinzip: Ein Laserstrahl wird über ein Bett aus feinem Metallpulver geführt. Dort, wo der 80 Mikrometer große Laserspot auf das Pulver trifft, schmilzt es auf und erstarrt anschließend zu einem Materialverbund – das restliche nicht belichtete Metall bleibt pulverförmig. Schicht für Schicht wird so der Fingerring aufgebaut, mit einer entsprechenden Aussparung für die Elektronik. Mittendrin wird der Prozess angehalten: Ein Robotersystem nimmt automatisch eine RFID-Komponente aus einem Magazin auf und platziert sie in der Aussparung, bevor der Druckprozess weitergeht. Durch die fein steuerbare Fertigung eröffnen sich viele Möglichkeiten, so lassen sich völlig individualisierte Ringdesigns umsetzen. Zudem ist der Chip durch den Ring versiegelt und somit fälschungssicher.
Das 3D-Druckverfahren an sich ist seit langem bekannt. Das Hauptaugenmerk bei der Entwicklung lag vor allem darin, die Laserstrahlschmelzanlage um das selbst entwickelte, automatisierte Verfahren zu erweitern, das die Elektronik platziert. »Die Hardwaretechnik so umzurüsten, dass sich während des Herstellungsprozesses Elektronik integrieren lässt, ist bislang einmalig«, sagt Maximilian Binder, Senior Researcher und Gruppenleiter im Bereich Additive Fertigung am Fraunhofer IGCV. Der zweite Entwicklungsschwerpunkt lag in der Frage: Wie können die elektromagnetischen Signale des RFID-Chips durch Metall gesendet werden? Denn üblicherweise schirmt Metall die Signale stark ab. Das Forscherteam hat zahlreiche Simulationen und Experimente durchgeführt – und eine passende Lösung gefunden. »Wir nutzen eine Frequenz von 125 Kilohertz: Diese hat eine geringere Reichweite – wie es hier durchaus gewünscht ist – und wird weniger durch das Metall abgeschirmt«, erläutert Binder. Zudem ist der Tag so angebracht, dass seine Signale nur einen Millimeter Metall durchdringen müssen. Eine große Rolle für die Signalausbreitung spielt auch die Ausgestaltung der Kavität und die Einbettung der Elektronik darin, da die Wände die Signale reflektieren oder absorbieren können. Weitere Herausforderungen lagen darin, die empfindliche Elektronik der RFID-Tags vor den über 1000 Grad Celsius hohen Temperaturen des Fertigungsprozesses zu schützen.
Zahlreiche Anwendungen denkbar
Die Technologie lässt sich überall dort einsetzen, wo sich die Integration von Elektronik auf herkömmlichem Weg schwierig gestaltet. Derzeit arbeiten die Forschenden beispielsweise an einer Anwendung im Bereich der Produktionstechnik: Sie implementieren Sensoren in Zahnräder, wo sie live während des Betriebs Informationen zum Lastzustand, den Temperaturen an verschiedenen Positionen und andere wichtige Parameter drahtlos an eine Auswerteeinheit senden sollen. Treten an einem Zahn bereits erste Schäden auf? Dies lässt sich an der gemessenen Vibration erkennen. Die nötige Energie erhalten die integrierten Sensoren über eine gedruckte RFID-Antenne auf der Außenseite – die Sensoren arbeiten also passiv, sprich ohne Batterie oder andere eigene Stromversorgung. Mit den integrierten Sensoren lässt sich somit zukünftig eine Überwachungsmöglichkeit realisieren, die aufgrund der schnellen Rotation der Zahnräder ansonsten kaum umsetzbar wäre.