„Wenn Kinder zu mir nach Hause kommen wollten, habe ich denen gesagt, die Mama ist krank oder der Oma geht es nicht gut. Die Wahrheit hätte ich nie gesagt, da hätte ich mich geschämt. Ich habe mich viel geschämt.“ Dies ist eine der förmlich unter die Haut gehenden Aussagen von mittlerweile erwachsenen Kindern suchtkranker Eltern, die die Teilnehmer des Fachtages „Was brauchen Kinder aus suchtbelasteten Familien?“ auf die Thematik einstimmte. „Kinder von suchtkranken Eltern brauchen verstärkt Aufmerksamkeit, Ansprechbarkeit und Achtsamkeit. Die Präventionsarbeit in suchtbelasteten Familien verdient ein besonderes Augenmerk, dem sich der Saarpfalz-Kreis im Rahmen der Präventionsarbeit gerne widmet.“ hebt Landrat Dr. Theophil Gallo hervor. 170 Fachkräfte aus dem pädagogischen Bereich, der Jugend- und Suchthilfe sowie dem Gesundheitswesen zählte der Arbeitskreis „Gemeindenahe Suchtprävention im Saarpfalz-Kreis“, der die Veranstaltung mit Unterstützung des Landesinstituts für Präventives Handeln und des Sozialministeriums initiiert hatte.
Dr. Elke Nicolay, Vorsitzende der Saarländischen Landesstelle für Suchtfragen den Fachtag und Moderatorin des Fachtages wies darauf hin, dass Kinder als mittelbar von der Suchterkrankung ihrer Eltern Betroffene oft vergessen würden. Da sie sich meist nicht selbst helfen könnten, hätten sie mit Einsamkeit, Hilflosigkeit und Scham zu kämpfen. Prof. Dr. Michael Klein von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen stellte heraus, dass die Sucht der Eltern für die betroffenen Kinder einen enormen Stress bedeute. Eine Schädigung entstehe hauptsächlich dadurch, dass die Kinder durch das veränderte Verhalten der Eltern verunsichert würden, Ängste und Depressionen entwickelten. Die Suchterkrankung von Eltern sei eines der gravierendsten Entwicklungs- und Gesundheitsrisiken für Kinder. Nicht zuletzt würden die betroffenen Kinder als Erwachsene häufig selbst eine Suchterkrankung entwickeln. Trotz dieser Fakten gebe es deutschlandweit nur circa 100 Angebote, meist sozialpädagogische Gruppen für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Es sei sinnvoll, Kinder suchtkranker und psychisch kranker Eltern in Präventionsprogrammen zusammenzufassen, da Suchtstörungen zu den wichtigsten und häufigsten psychischen Störungen gehören würden.
Dass Hilfe für die betroffenen Kinder auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen kann, verdeutlichten Workshops mit drei Best-Practice-Beispielen. Eines der wenigen Unterstützungsangebote, das sich direkt an betroffene Kinder richtet, ist das Projekt „Wiesel“ des Beratungs- und Behandlungszentrums des Caritasverbandes Schaumberg-Blies. Die Leiterin des Workshops, Dipl.-Psychologin Corinna-Oswald, schilderte ihre Erfahrungen mit den Kindern aus suchtbelasteten Familien, die sie im Rahmen von regelmäßigen Gruppentreffen betreut. „In der Gruppe sollen die Kinder“, so Corinna Oswald, „den Raum finden, ihre spezifischen Erlebnisse ausdrücken und aufarbeiten zu können. Durch Vermittlung von Wissen über die elterliche Suchterkrankung werden sie von Scham- und Schuldgefühlen entlastet.“
Prof. Dr. Klein stellte MUT und TAVIM vor, Konzepte, die von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen entwickelt und evaluiert wurden. MUT, das „Mütter-Unterstützungs-Training“ richtet sich an suchtkranke Mütter und hat das Ziel, deren Handlungsstrategien zu erweitern und vor allem die Mutter-Kind-Bindung zu stärken. Bei TAVIM (=Treatment of Alcohol Dependent Violent Men) handelt es sich um ein psychologisches Gruppenprogramm zur integrierten Behandlung von Männern mit Alkohol- und Gewaltproblemen. Beim Konzept TRAMPOLIN, einem Gruppenangebot für Kinder und Eltern aus suchtbelasteten Familien mit einem eigenen Modul für die Eltern, werden diese für die Situation ihrer Kinder sensibilisiert und in ihren Erziehungskompetenzen gefördert.
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Foto: Anika Bäcker, Saarpfalz-Kreis
Über ein Projekt, das auf eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Jugend- und Suchthilfe abzielt, berichtete Christa Niemeier von der Landesstelle für Suchtfragen Baden-Württemberg in ihrem Workshop. Das Projekt SCHULTERSCHLUSS fördert die Zusammenarbeit beider Bereiche über gemeinsame Weiterbildungen. Im fachlichen Dialog werden verbindliche Absprachen erarbeitet. Kinder suchtkranker Eltern sollen möglichst frühzeitig Unterstützung bekommen und Kindeswohlgefährdungen verhindert werden. Eltern sollen in ihrer Verantwortung gestärkt werden. Sie unterstreicht: „Für die Kooperation braucht es im Feld der Jugendhilfe und der Suchthilfe und auch in angrenzenden Bereichen wie der Medizin und Psychiatrie Türöffner!“
Zusammenfassend stellte Dr. Nicolay heraus, dass vor allem die Beobachtung der wechselseitigen Beeinflussung der drei Ebenen, Kinder, Eltern und Helfersystem enorm wichtig sei. Im Umgang mit den Kindern müsse sowohl deren Recht auf Schutz als auch auf Selbstbestimmung im Blick behalten werden. Von der Enttabuisierung des Themas „Sucht“ profitierten die betroffenen Kinder bei der Bewältigung dieser schwierigen Lebenssituation am meisten.
Unterstützungsangebote für betroffene Kinder und Familien im Saarpfalz-Kreis:
� Caritas-Zentrum Saarpfalz: in Homburg, Schanzstr. 4, Tel. 06841/93465-0, www.caritas-zentrum-saarpfalz.de , in St. Ingbert, Kaiserstr. 63, Tel. 06894/92630,
� Praesent, Fachstelle für Suchtvorbeugung und -beratung, Karlsbergstr. 6, Homburg, Tel. 06841/99363-22 oder -23, praesent-praevention@eb.de und praesent-beratung@web.de,
� Psycholgoischen Beratungsstelle des Saarpfalz-Kreises, Am Forum 3, Homburg, Tel. 06841/104-8085, psych-beratungsstelle@saarpfalz-kreis.de
� Allgemeiner Sozialer Dienst des Jugendamtes des Saarpfalz-Kreises, Am Forum 1, Homburg, Tel. 06841/104-8088, www.saarpfalz-kreis.de
� Sozialen Dienst des Gesundheitsamtes des Saarpfalz-Kreises, Am Forum 1, Homburg, Tel. 06841/104-7242, sozialer-dienst@saarpfalz-kreis.de
Weitergehende Informationen zum Thema gibt es im Internet unter: