Foto: Christian Schäfer

Was haben die saarländische Fastnacht, die Bergmusik und das Festival „Primeurs“ gemeinsam? Diese drei Kulturformen sind am letzten Freitag von einer unabhängigen Jury ausgewählt worden und gehören nun zum immateriellen Kulturerbe des Saarlandes. Einige Bewerbungen haben gute Chancen, sogar ins Bundesverzeichnis aufgenommen zu werden.

Ministerpräsidentin und Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französischen kulturellen Beziehungen, Anke Rehlinger: „Neugierde und das Gespräch über Grenzen hinweg sind integrale Bestandteile der saarländischen Kultur. Das Festivals ‚Primeurs‘ reiht sich ein in die Vielzahl kultureller Besonderheiten, die das Saarland und die Großregion auszeichnen und verdient daher die Auszeichnung als immaterielles Kulturerbe.“ Das 2007 gegründete Festival für frankophone Gegenwartsdramatik hat den Anspruch, die spannendsten neuen Theaterstücke in Frankreich, Kanada und anderen Ländern der französischsprachigen Welt zu entdecken, zu übersetzen und in szenischen Lesungen dem interessierten Publikum im Saarbrücken und Forbach vorzustellen. Dabei arbeiten das Staatstheater, das Theater „Le Carreau“, der SR und das Institut d’Etudes Françaises seit vielen Jahren gut zusammen. „Die Anerkennung des Festivals als immaterielles Kulturerbe des Saarlandes macht die Verdienste dieser vier Institutionen um den internationalen Kulturaustausch auf neue Weise sichtbar und dient über die Region hinweg als Beispiel für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit. Als Bevollmächtigte habe ich mir zur Aufgabe gemacht, grenzüberschreitende Formate wie Primeurs bundesweit zu stärken“, so Rehlinger weiter.

„Das Saarland ist reich an Bräuchen und Traditionen. Diese lebendige Vielfalt kultureller Ausdrucksformen wollen wir bewahren und sichtbar machen. Dies ist der Kern unseres kulturpolitischen Auftrages. Als leidenschaftliche Karnevalistin bin ich natürlich sehr glücklich, dass auch die Bewerbung des Verbandes saarländischer Karnevalsvereine (VSK) erfolgreich war. Denn ich weiß, wie tief unsere karnevalistischen Traditionen im Leben vieler Saarländerinnen und Saarländer verankert sind. Insgesamt gibt es in unserem Land ja gut 180 Vereine, fast jedes Dorf hat seinen eigenen Verein. Und im Unterschied zu anderen Verbänden hat der VSK keine Nachwuchssorgen, im Gegenteil: Der VSK hat 38.000 Mitglieder, davon 12.000 Kinder und gewinnt jährlich weitere junge Mitglieder dazu“, sagt Kulturministerin Christine Streichert-Clivot.

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Außerdem hat die Jury entschieden, dass neben der saarländischen Fastnacht drei weitere Kulturformen für das Bundesverzeichnis vorgeschlagen werden: das Festival „Perspectives“, die Gehöferschaft Wadrill und das Nikolauspostamt in Sankt Wendel. Diese sind bereits Teil des saarländischen Landesverzeichnisses. Ob sie aufgenommen werden, entscheidet die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) im März 2025.

Das Festival „Primeurs“ steht in dieser Bewerbungsrunde auf einem Nachrückerplatz, da die Jury davon ausgeht, dass die Chancen für eine nationale Aufnahme der beiden deutsch-französischen Theaterfestivals „Perspectives“ und „Primeurs“ höher sind, wenn sie nicht gleichzeitig vorgeschlagen werden.

Mit dem Immateriellen Kulturerbe unterstützt die UNESCO seit zwanzig Jahren den Erhalt und die Weitergabe lebendiger Traditionen in den Bereichen Tanz, Theater, Musik, Naturwissen, Handwerkstechnik und mündlicher Überlieferung. Inzwischen gibt es internationale, nationale und regionale Verzeichnisse.

Vor zwei Jahren, im Frühjahr 2022 wurde das saarländische Landesverzeichnis auf Initiative der Ministerinnen Christine Streichert-Clivot und Anke Rehlinger ins Leben gerufen. In der ersten Bewerbungsrunde hatten sich sieben Kulturformen erfolgreich um einen Eintrag beworben: Außer den drei bereits genannten wurde das Steigerlied eingetragen, die Arbeitskammer des Saarlandes, die Viez-Herstellung sowie die regionale Ausprägung des Mundarttheaters.

Bis zum 31. Oktober 2023 lief die zweite offizielle Bewerbungsrunde: Insgesamt wurden diesmal sechs Bewerbungen im Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes eingereicht und nach eingehender Prüfung an das Landesgremium weitergegeben. Am Nachmittag des 19. Januar kamen die Mitglieder des Gremiums im Pingusson-Bau zusammen, um über die Bewerbungen zu beraten.

Vertreten waren die Kommission für die Saarländische Landesgeschichte (Christel Bernard), die Koordinierungsstelle für historisch orientierte Kulturwissenschaften an der Universität des Saarlandes (Ines Heisig), das Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass (Hermann Gätje), der Verband saarländischer Amateurtheater (Bettina Mick), der Historische Verein für die Saargegend (Frank Becker), der Landesverband der Bergmanns-, Hütten-, und Knappenvereine (Bernd Mathieu) sowie die Handwerkskammer des Saarlandes (Gordon Haan).

Fabienne Wolfanger, die Vizepräsidentin des Verbands der saarländischen Karnevalsvereine (VSK) freut sich über die Aufnahme. „Wir haben im Verband sehr lange an unserer Bewerbung gearbeitet. Und dabei habe ich ganz bewusst das Gespräch gesucht mit Angehörigen verschiedener Generationen, um ein genaues Bild von der Geschichte und der Gegenwart unserer Arbeit zeichnen zu können. Außerdem haben wir lebhaft diskutiert, wie wir uns für die Zukunft möglichst gut aufstellen – zum Beispiel mit einer systematischen Nachwuchsförderung oder mit nachhaltigeren Formen des Feierns“.

Die Gewinnung von Nachwuchs ist bei der Bergmusik e.V. etwas schwieriger: Durch das Ende des Bergbaus im Jahr 2012 müssen die Leiter der Bergkappelle und des Saarknappenchors kreativ mit der Frage umgehen, wie sie das Interesse der jungen Generation wachhalten und sie für die Pflege der langen und bedeutenden bergmusikalischen Tradition im Saarland begeistern. Im Moment gelingt das noch gut, zum Beispiel durch attraktive Konzertreisen und Projekte wie diese: Eine Aufnahme mit Variationen – auch zeitgenössischen – des Steigerlieds. Durch sie werden sogar Musikstudenten aus Korea angezogen, bei der Bergmusik mitzumachen. Und das sendet ein wichtiges Signal nach außen: Dass nämlich die Heimatliebe im Saarland etwas ist, was Zugewanderte nicht ausschließt, sondern freundlich einbezieht.

Zur Aufnahme des Festivals „Primeurs“ sagt Bettina Schuster-Gäb, Dramaturgin am Saarländischen Staatstheater: „Die Festivalpartner freuen sich sehr, die 16-jährige deutsch-französische Zusammenarbeit hier im Saarland und angrenzenden Lothringen für eine weltoffene Gesellschaft und Völkerverständigung mittels der dramatischen Kunst gewürdigt zu sehen.“

Jüngst wurden ihre Verdienste um den grenzüberschreitenden Kulturaustausch auch auf nationaler Ebene anerkannt. Am 6. Dezember wurde „Primeurs“ in Berlin in Gegenwart des französischen Botschafters mit dem „Prix der Académie de Berlin“ ausgezeichnet. Die Anerkennung des Festivals als immaterielles Kulturerbe des Saarlandes macht diese Verdienste auf andere Weise sichtbar.

 

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