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Bis heute wird darüber gestritten, ob Leistungskontrollen in Schulen angekündigt werden sollten. Eine neue, unter der Leitung von Prof. em. Dr. Ludwig Haag (Universität Bayreuth) und Prof. Dr. Thomas Götz (Universität Wien) erarbeitete Studie kommt zu dem Ergebnis: Die Praxis, Leistungskontrollen nicht anzukündigen, stärkt die Ängstlichkeit von Schülern, verringert ihre Freude am Lernen und schwächt dadurch ihre Leistungsfähigkeit. Hingegen hat eine verlässliche Ankündigung von Leistungskontrollen positive emotionale Auswirkungen und kann schulische Leistungen verbessern. In der Zeitschrift „PLOS ONE“ haben die Wissenschaftler ihre Studie veröffentlicht.

„In Deutschland haben die meisten Bundesländer mittlerweile für alle Schularten gesetzlich geregelt, dass schriftliche Leistungstests jeglicher Art angekündigt werden müssen. Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich, dass dies ein nicht zu unterschätzender Fortschritt ist“, sagt der Bayreuther Schulpädagoge Prof. em. Dr. Ludwig Haag. Allerdings werden in der Schulpraxis bis heute Gründe angeführt, die für unangekündigte Leistungserhebungen sprechen. Insbesondere wird argumentiert, stetige Aufmerksamkeit im Unterricht und kontinuierliche Lernfortschritte würden gefördert, wenn Schüler jederzeit mit Kontrollen und darauf basierenden Benotungen rechnen müssten. „Wir sind in unserer Studie von einer entgegengesetzten Hypothese ausgegangen: Verlässlich angekündigte Leistungserhebungen stärken die Fähigkeit der Schüler zur bewussten Einschätzung und Selbstkontrolle ihrer eigenen Leistungen. Daher haben sie im Vergleich mit unangekündigten Leistungserhebungen eine vorteilhaftere Wirkung auf die Emotionen der Schüler sowie auf ihre Lernerfolge. Die Ergebnisse unserer empirischen Untersuchung bestätigen diese Annahme“, erklärt Haag.

An der Studie nahmen insgesamt 414 Schüler aus 19 Mittelstufen- und Oberstufen-Kursen eines Gymnasiums teil. Ein Schuljahr lang wurden emotionsbezogene Daten erhoben und mit den Leistungen in Beziehung gesetzt, die von den Schülern bei angekündigten und bei unangekündigten Leistungskontrollen erbracht wurden. Im Zentrum standen dabei Angst und Freude, die im Zusammenhang mit diesen Tests auftraten. Im Vorfeld und während angekündigter Leistungskontrollen empfanden die Schüler deutlich mehr Freude und weniger Angst. Im Fall der Angst war dieser Unterschied zu den unangekündigten Leistungskontrollen bereits zwei Wochen vor dem jeweiligen Termin zu beobachten. Zudem waren Freude und Angst klar erkennbar mit den Testergebnissen und den Schulnoten verknüpft: Je weniger das Lernen von Angst begleitet war und je mehr Freude die Schüler beim Lernen erlebten, desto bessere Noten konnten sie erzielen.

Insgesamt liefert die Studie zahlreiche valide Hinweise darauf, dass die Nicht-Ankündigung von Leistungserhebungen – im Vergleich zu ihrer Ankündigung – die Leistungen der Schüler nachteilig beeinflussen können. Die Autoren plädieren dafür, dass diese Erkenntnisse im Bildungswesen und in der Pädagogik stärker beachtet und genutzt werden sollten. „Lehrkräfte in den Schulen sehen sich heute oft vor die Wahl zwischen unterschiedlichen Zielen gestellt: Während unangekündigte Tests kontinuierliche Lernprozesse zu fördern scheinen, stärken angekündigte Tests die emotionale Ausgeglichenheit und die intrinsische Freude am Lernen. Von den erzielten Lernerfolgen her gesehen, spricht unsere Studie eindeutig dafür, den Emotionen der Schüler im Bildungswesen mehr Gewicht einzuräumen: Angst ist kein guter Lehrmeister – das ist ja eigentlich eine alte Erkenntnis“, sagt Prof. em. Dr. Ludwig Haag.

Originalpublikation: M. Bieleke, J.-M. Schwarzkopf, T. Götz, L. Haag: The agonizing effects of uncertainty: Effects of announced vs. unannounced performance assessments on emotions and achievement. PLOS ONE (2022), 17(8): e0272443. DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0272443

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