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Das Jahr 2020 geht zu Ende. Für die Länderkammer ein Anlass zurückzublicken: Einheitsjubiläum unter freiem Himmel, wichtige Weichenstellungen zur Corona-Krise und pandemiebedingt kaum Besucher aus aller Welt – es waren in mancher Hinsicht außergewöhnliche 12 Monate.

14 Plenarsitzungen – darunter vier Sondersitzungen – mit insgesamt über 700 Tagesordnungspunkten liegen hinter dem Bundesrat. Die kürzeste Sitzung dauerte nur drei Minuten, die längste sechs Stunden. Dabei beschäftigte die Länder ein Thema ganz besonders: Die Herausforderungen der COVID-19-Pandemie. Zu deren Bewältigung fasste der Bundesrat – teils in kurzfristig anberaumten Sondersitzungen – insgesamt über 100 Beschlüsse und erwies sich in der Krise als handlungsfähiger Akteur der Gesetzgebung.

Zahlreiche Corona-Gesetze
So entschied die Länderkammer unter anderem am 13. März über Vereinfachungen beim Kurzarbeitergeld, nahm in der Sondersitzung am 25. März Stellung zum geplanten Nachtragshaushalt für Corona-Hilfen und gab zwei Tage später dafür ebenso grünes Licht wie für das Corona-Krisenpaket – bestehend unter anderem aus dem Sozialschutzpaket I, dem Ersten Bevölkerungsschutzgesetz, Unterstützung für Krankenhäuser in der Krise und einem Rechtspolitik-Paket. Bereits am 15. Mai folgte das zweite Corona-Rettungspaket mit dem Sozialschutz-Paket II, dem zweiten Bevölkerungsschutzgesetz, einer Gutscheinlösung für Kulturtickets, Erleichterungen beim Elterngeld, Hochschulverträgen und weiteren Maßnahmen. Am 5. Juni 2020 stimmte die Länderkammer zahlreichen Steuerhilfen in der Corona-Krise zu und machte unter anderem den Weg frei für die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie. Schon am 29. Juni folgte die nächste Sondersitzung zum Konjunkturpaket in der Corona-Krise, das eine befristete Absenkung der allgemeinen Mehrwertsteuer und zahlreiche Steuerhilfen für Wirtschaft und Zivilgesellschaft beinhaltete.Am 3. Juli billigte die Länderkammer Bundestagsbeschlüsse zu einer Gutscheinlösung für Corona-bedingt abgesagte Pauschalreisen, zum Nachtragshaushalt zur Finanzierung des Konjunkturpakets und weiterer Corona-Rettungsmaßnahmen sowie das Begleitgesetz zur Umsetzung des Konjunkturpakets. Am 18. September stimmte sie einer Grundgesetzänderung zur Entlastung der Kommunen in der Corona-Krise zu und gab grünes Licht für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende 2020. Am 18. November stimmte sie wiederum in einer Sondersitzung dem Dritten Infektionsschutzgesetz zu, das eine Präzisierung der Rechtsgrundlage für Verordnungen der Länder ebenso enthält wie Regelungen zur Vorbereitung der Impfprogramme. Am 27. November billigte der Bundesrat dann die weitere Verlängerung der Sonderregeln für das Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise. Und im Dezember stimmte er der Entschädigung für Verdienstausfälle von Eltern aufgrund der aktuellen Kita- und Schulschließungen zu.

Kurzfristige Beratungen
Insgesamt machten Bundesregierung und Bundestag regen Gebrauch vom Instrument der Fristverkürzungsbitte: Haben sie ein wichtiges Interesse daran, dass sich der Bundesrat sehr rasch zu einer Vorlage äußert, können sie darum bitten, dass dieser die Vorlagen deutlich schneller als in den für den Regelfall vorgesehenen drei- bzw. sechswöchigen Fristen behandelt. Der Ständige Beirat des Bundesrates, dem die Bevollmächtigten der sechzehn Länder angehören, entscheidet über jede Bitte. Gibt er ihr statt, berät der Bundesrat die Vorlage in der von Bundesregierung oder Bundestag gewünschten Zeit. Drei der Gesetze mit Corona-Bezug wurden sogar am selben Tag sowohl im Bundestag in dritter Lesung beraten, als auch vom Bundesrat beschlossen und vom Bundespräsidenten unterzeichnet. Sie konnten somit außergewöhnlich schnell in Kraft treten.

Obschon im Jahr 2020 die Pandemie über allem schwebte, fehlte es nicht an zahlreichen bedeutenden Gesetzgebungsverfahren in anderen Bereichen, an denen die Länder über den Bundesrat mitwirkten. Diese umfassten etwa das Gesetz zur Regelung der Organspende, die Verlängerung der „Mietpreisbremse“, die Grundrente, das Kohleausstiegsgesetz und die Strukturstärkung der betroffenen Regionen, Gesetze zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Hetze im Internet, zur Reform der Intensivpflege, zum Patientendatenschutz und zur Strafbarkeit für „Upskirting“. Außerdem befasste sich die Länderkammer mit der Förderung der Elektromobilität und der WEG-Reform. Gegen Ende des Jahres ging es um den Ausbau von Offshore-Windenergie und der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder sowie die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. Kurz vor Weihnachten billigten die Länder die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, Verbesserungen in der Gesundheitsvorsorge und Pflege, die Überführung der Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv, den Rekordhaushalt 2021 und ein Verbot für leichte Einweg-Plastiktüten.

Jahrestage
Zweimal – und damit vergleichsweise selten – wurde im Jahr seines 70. Geburtstags der Vermittlungsausschuss angerufen. Das Verfahren zum Geologiedatengesetz wurde am 5. Juni, das zum Adoptionshilfegesetz am 18. Dezember erfolgreich abgeschlossen. Ein rundes Jubiläum gab es zudem für den Umzug des Bundesrates nach Berlin – im September jährte sich die erste Sitzung der Länderkammer im ehemaligen Preußischen Herrenhaus an der Leipziger Straße zum 20. Mal. Die wichtigsten Feierlichkeiten 2020 waren aber diejenigen zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit. Zwar konnte das Gastgeberland Brandenburg das ursprünglich geplante Bürgerfest aufgrund der Pandemie nicht durchführen. Die vierwöchige Freiluftausstellung EinheitsEXPO, auf der sich unter anderem die 16 Bundesländer und fünf Verfassungsorgane präsentierten, wurde aber auch unter Corona-Bedingungen zum Höhepunkt des Jahres.

75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand die deutsch-britische Freundschaft besonders im Mittelpunkt des Gedenkens zum Volkstrauertag. An den Feierlichkeiten nahm deshalb neben Bundesratspräsident Haseloff und Vertretern der übrigen Verfassungsorgane als besonderer Gast auch der britische Thronfolger Prinz Charles teil, der die Gedenkrede im Deutschen Bundestag hielt. Ebenfalls in Anwesenheit von Bundesratspräsident Haseloff sprach dort im Dezember aus Anlass des 75. Jahrestages der Gründung der Vereinten Nationen deren Generalsekretär António Guterres vor Mitgliedern des Bundestages und Vertretern der anderen Verfassungsorgane.

EU – Ratspräsidentschaft und ihre parlamentarische Dimension
Am 1. Juli übernahm Deutschland für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Unter dem Motto “Gemeinsam. Europa wieder stark machen.” standen in dieser Zeit Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat in besonderer Verantwortung für die Europäische Union. Nur zwei Tage nach dem Beginn erläuterte Bundeskanzlerin Merkel die entsprechenden Regierungspläne im Plenum der Länderkammer. Im Rahmen der parlamentarischen Dimension der Ratspräsidentschaft luden Bundesrat und Bundestag zu 12 interparlamentarischen Konferenzen ein, bei denen Abgeordnete aus den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten sowie des Europäischen Parlaments zusammenkamen. Aufgrund der Pandemie fanden die Konferenzen erstmals in der Geschichte der EU vollständig als Videokonferenzen statt.

Im Mittelpunkt der Konferenzen stand die Pandemie und ihre wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen. Aber auch weitere große Herausforderungen und Zukunftsaufgaben der EU, wie der Green Deal, Migration und Asyl oder der Wiederaufbauplan wurden diskutiert. Während der Ratspräsidentschaft stellte der Bundesrat zusammen mit dem Bundestag den deutschen Ko-Vorsitz bei der Konferenz der Parlamentspräsidenten (EU-PPK), der Konferenz der Ausschüsse für Unionsangelegenheiten der Parlamente der EU (COSAC) sowie im Gemeinsamen Kontrollgremium für Europol.

Auslandskontakte
Die Pandemie brachte erhebliche Einschränkungen für die internationalen Kontakte des Bundesrates als eines weltweit gefragten Partners für den Austausch zu Fragen des Föderalismus mit sich. So blieb es bei einer einzigen präsidentiellen Auslandsreise im Januar nach Warschau, wo sich Dietmar Woidke mit Senatsmarschall Tomasz Grodzki und Sejmmarschallin Elżbieta Barbara Witek austauschte. Ab Beginn der Krise konnte der Austausch mit den Amtskollegen aus Polen, den Niederlanden und Frankreich nur mehr telefonisch stattfinden. Im Juni gab es ein virtuelles Treffen mit den Amtskollegen aus Portugal, Edouardo Ferro Rodrigues, und von beiden Kammern des Parlaments von Slowenien, Igor Zorčič und Alojz Kovšca statt. Themen waren die Corona-Krise, die Migrationspolitik, die Zukunft der EU sowie die verstärkte Zusammenarbeit. Auch beschlossen die Parlamente der drei Länder in einer gemeinsamen Erklärung Leitlinien für die Parlamentarische Dimension der EU-Ratspräsidentschaft bis Ende 2021. Gemeinsam mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble unterzeichnete Bundesratspräsident Woidke die „Trio-Erklärung“ Ende Juni in Berlin.

Anfang Juli 2020 erörterte dieser das Arbeitsprogramm der deutschen Ratspräsidentschaft – natürlich im Rahmen einer Videokonferenz – mit der EU-Kommissionspräsidenten von der Leyen. Neben dem Bundestagspräsidenten nahmen daran auch Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager, die Vizepräsidenten Valdis Dombrovskis und Frans Timmermans sowie der Außenbeauftragte Josep Borrell teil. Ein ausländischer Gast konnte schließlich doch noch empfangen werden: Bei einem Besuch der EinheitsEXPO tauschte sich der Bundesratspräsident unter freiem Himmel mit dem Parlamentspräsidenten der Republik Korea, Byeong-Seug Park, in Potsdam aus.

Besetzung des Bundesverfassungsgerichts
Im Jahr 2020 hat der Bundesrat die Zusammensetzung eines anderen Verfassungsorgans maßgeblich mitbestimmt: Bereits im Mai wählte er einstimmig Stephan Harbarth zum neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und Astrid Wallrabenstein zur Richterin im Zweiten Senat. Ebenso einstimmig wählte er im Juli dann Ines Härtel zur neuen Richterin in den Ersten Senat.

Wechsel an der Spitze
Im November übernahm Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, das Amt des Bundesratspräsidenten von seinem brandenburgischen Amtskollegen. Wie immer folgte die Wahl dem sogenannten Königsteiner Abkommen, in dem vor 65 Jahren die Reihenfolge für die Wahl der Bundesratspräsidenten festgelegt wurde. Die traditionelle Übergabe des Staffelstabes fand wegen der Pandemie ausnahmsweise nicht bei den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit, sondern im Plenum statt.

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