Bild: Bill Titze
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Landräte sind gerade in der Kommunalpolitik gefragte Leute. Kaum eine Veranstaltung, auf der sie nicht Reden halten oder schlicht und ergreifend Hände schütteln. Doch Bücher schreiben? Das gehört nicht unbedingt zur Stellenbeschreibung. Und doch gibt es im Saarland mit Udo Recktenwald einen, der hobbymäßig Romane verfasst. Seinen ersten hat der Landrat des Kreises St. Wendel nun bei einer Lesung im Homburger Saalbau vorgestellt.

Seit vielen Jahren ist Recktenwald der Chef im St. Wendeler Landratsamt. 2008 wurde er ins Amt gewählt. Da sammelt sich viel politische Erfahrung an. Die half ihm jedoch beim Auftritt im Saalbau zu Beginn nicht viel, wie der CDU-Politiker gleich zu Beginn einräumte. „Ich bin ja gewohnt vor Publikum zu sprechen, aber heute habe ich doch Lampenfieber. Denn das ist heute meine erste Lesung aus einem eigenen Buch.“

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„Sonnenfinsternis“ heißt der Krimi und erschien 2020. Als Späteinsteiger lässt sich der 59-Jährige dennoch nicht bezeichnen, denn Recktenwald hat schon als Kind gern Geschichten geschrieben, wie er dem Publikum verriet. „Da habe ich dann, wenn ich mit einer Arbeit fertig war, auf der Rückseite Erzählungen geschrieben.“ Vor diesem Hintergrund kommt sein damaliger Berufswunsch nicht mehr ganz überraschend: Journalist wollte er werden, ein Germanistik-Studium war die Konsequenz.

Für ein eigenes Buch hatte es bis jetzt dennoch nie gereicht. „Da bin ich über Ansätze nie hinausgekommen.“ Entscheidend sei schließlich auch seine Frau Andrea gewesen, die ihm die nötige Disziplin für solch ein Projekt beigebracht habe. Anderthalb Jahre schrieb Recktenwald an “Sonnenfinsternis” – meistens in den Abendstunden, wenn andere nur noch auf der Couch Ruhe finden wollen. „Das Schreiben ist für mich ein Hobby wie für andere Sport treiben. Es macht mir einfach Spaß“, erklärt der Nordsaarländer im HOMBURG1-Gespräch.

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“Sonnenfinsternis” in der Hand, “Wolfsblut” auf der Plakatwand: Landrat Udo Recktenwald ist gerade im Schreibfieber. Bild: Bill Titze

Dabei ist es ein ernstes Thema, das er in „Sonnenfinsternis“ aufgreift. Es geht nämlich um das Thema Pflege und ist somit kein reiner Krimi. Vielmehr soll vor allem auch Gesellschaftskritisches im Mittelpunkt stehen. Aus den Sequenzen, die Recktenwald für den Abend im Saalbau ausgesucht hat, geht das deutlich hervor. Da wird der Personalmangel in der Pflege genauso thematisiert wie die schwierige Situation für die Angehörigen. Dennoch wirkt die Geschichte nicht überladen. Dazu greifen die verschiedenen Teile der Geschichte doch zu gut ineinander.

Eindrucksvoll vor allem eine Passage, in der er die Ankunft der Mutter der Hauptfigur in einer psychiatrischen Klinik beschreibt. Dort wird bei ihr schnell eine Demenz diagnostiziert. Das medizinische ist dabei das eine, doch der Landrat schafft es durch scheinbare Nebensächlichkeiten, die Gefühlskälte des Ortes aufzuzeigen. Der Arzt, der die Familie schnell loswerden will, keine Begrüßungen auf dem Flur, die Erledigung von reinen Formalitäten direkt nach der Diagnose – die Gefühle des Patienten und seiner Angehörigen scheinen hier nicht im Mittelpunkt zu stehen. Das mag überzeichnet sein, doch wirft es ein Licht auf die Personalnot an Kliniken, die genau zu solchen „Abfertigungen“ von Patienten führen kann.

Dabei kommt fast ein bisschen zu kurz, dass das Buch eben auch ein Krimi ist. Privatdetektiv Artur Silva muss nämlich zusammen mit seinem Mops im Laufe des Buches das dunkle Geheimnis rund um die Krankenschwester klären, die sich bald um die Mutter der Hauptfigur kümmert. Silva hat jedoch nicht nur eine wichtige Funktion auf inhaltlicher Ebene, sondern auch, was den Erzählstil von „Sonnenfinsternis“ anbelangt.

„Es geht ja eigentlich um ein ernstes Thema. Silva ist auch dazu da, einen amüsanten Gegenpart darzustellen, bei dem man auch mal lachen kann“, so Recktenwald. Wie aus der Lesung hervorgeht, ist der Rotschopf nämlich äußerst schrullig, hält nicht viel von Ordnung und erzählt jedem, der es nicht hören will, von seiner italienischen Familiengeschichte. „Eine Frau lenkt nur ab“, sagt der unverheiratete Detektiv im Buch.

Das kann man bei Udo Recktenwald nun wirklich nicht sagen. Denn seine Frau war auch bei seinem zweiten Roman „Wolfsblut“ maßgeblich beteiligt, der gerade erst erschienen ist und sich eher um Politisches dreht. Und das soll nicht der letzte Streich gewesen sein: Ein drittes Buch ist bereits in Planung, wie der Landrat sagt. „Ich will auf jeden Fall weiter schreiben und bin offen für alles!“

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