Die Saarschleife - Bild: Wolfgang Staudt ( CC BY 2.0 - Keine Änderungen - https://www.flickr.com/people/wolfgangstaudt )

Bei der Vorstellung des „Lagebilds Verfassungsschutz 2019“ zeigte sich Innenminister Klaus Bouillon wegen des weiteren Vordringens rechtsextremistischen Gedankenguts in die Gesellschaft besorgt.  „Die beiden Anschläge in Halle und Hanau lassen mich noch immer fassungslos zurück. Es ist schier unvorstellbar, dass ein Rechtsterrorist 75 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur in Deutschland den Versuch unternimmt, unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger beim Gebet zu töten“, gesteht der Innenminister. „Es scheint, als habe der Rechtsterrorismus – genau wie der islamistische Terrorismus – sein Erscheinungsbild gewandelt.“ 

Dr. Helmut Albert, Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Ministerium für Inneres, Bauen und Sport, erläutert die Entwicklungen: „Scheinbar isoliert handelnde Einzeltäter begehen Anschläge, ohne dass sie vorher als Angehörige extremistischer Szenen aufgefallen wären. Ihre Motivation beziehen sie aus dem extremistischen Gedankengut und aus Verschwörungsmythen wie der von der angeblichen ‚jüdischen Weltverschwörung‘.“

Derartige Verschwörungsmythen, die sich über die Sozialen Netzwerke ausbreiten, können zur Radikalisierung beitragen und Unzufriedene an extremistische Szenen heranführen. „Besonders deutlich geworden ist dies während der Corona-Krise“, sagt Minister Bouillon. Hinter vielen dieser Mythen versteckten sich mehr oder weniger deutlich erkennbare rassistische und antisemitische Motive.

Klaus Bouillon – Quelle: www.cdu-fraktion-saar.de

Minister Bouillon weiter: „Es ist schon skurril, wenn sich Rechtsextremisten, die seit Jahren die Verfassungsordnung bekämpfen, gemeinsam mit Corona-Leugnern zu Verteidigern des Grundgesetzes und der Demokratie erklären.“ Aber es berge auch erhebliche Gefahren, wenn in einer demokratisch gewählten Regierung eine „Corona-Diktatur“ gesehen werde, gegen die letztlich nur noch der bewaffnete Aufstand helfe: „Dies kann genau wie in Halle und Hanau weitere ‚Gläubige‘ zu terroristischen Anschlägen motivieren.“

 Das „Lagebild Verfassungsschutz 2019“ im Detail: 

Im Phänomenbereich Rechtsextremismus standen auch 2019 die Themenfelder Asyl, Migration und Islam im Fokus der Aktivisten. Die bereits 2018 zu beobachtende Erosion der klassischen organisationsbezogenen Aktivitäten setzte sich fort. Kommunikation, Kommentierungen, Terminierungen etc. erfolgten in der Hauptsache über Soziale Netzwerke, abgeschottete Chatgruppen und Messenger-Dienste wie WhatsApp.

  • Die Zahl der erkannten und vermuteten Rechtsextremisten im Saarland stieg von 310 im vorausgegangenen Jahr auf 330 Personen an. Davon werden unverändert 20 Personen als gewaltorientiert eingestuft.
  • Die Gesamtzahl der bekannt gewordenen rechtsextremistisch motivierten Straftaten stieg mit 260 auf eine neue Höchstmarke (2018: 215).
  • Propagandadelikte und Volksverhetzungen machten wie im Vorjahr mit rund 85 Prozent den überwiegenden Anteil dieser Straftaten aus. Die darin enthaltenen rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten gingen von 18 auf 11 zurück.
  • Bei allen Taten handelte es sich um situativ bedingte Körperverletzungsdelikte, davon zehn mit fremdenfeindlicher Ausrichtung. Nach wie vor ist keine Zunahme der Gewaltbereitschaft bei den bereits bekannten Angehörigen der hiesigen rechtsextremistischen Szene festzustellen: Von den im Rahmen der Ermittlungen zu den elf Gewalttaten bekannt gewordenen Tatverdächtigen war nur zwei den Verfassungsschutzbehörden bereits bekannt.
  • Dies ist ein deutlicher Beleg dafür, dass sich fremdenfeindliches und rassistisches Denken weit über das vom Verfassungsschutz beobachtete Potenzial in die Gesellschaft hinein verbreitet hat. Von den 69 fremdenfeindlichen Straftaten im Saarland (2018: 60) wiesen 13 (darunter 4 Gewaltdelikte) Bezüge zum Thema Flüchtlinge auf (2018: 13, darunter 6 Gewaltdelikte). Während die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten gegenüber dem Vorjahresniveau anstieg, war bei den antisemitisch motivierten Delikten ein leichter Rückgang von 29 auf 23 Straftaten festzustellen.
  • Die Zahl der Reichsbürger ist mit 140 gleichgeblieben. Nach wie vor sind keine Vernetzungen zwischen den einzelnen Personen festzustellen. Den Sicherheitsbehörden ist es gelungen, legalen Waffenbesitz innerhalb der Szene zu unterbinden und bestehende Erlaubnisse in einer gemeinsamen Anstrengung mit den Waffenbehörden zu widerrufen.

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