Eng war es in der Galerie Julia Johannsen an diesem kalten Freitagabend in Homburg. Während einem draußen der kalte Nachtwind um die Ohren blies, interpretierte sich drinnen der Nachtwind vor den Augen der zahlreich erschienenen Gäste in sehr unterschiedlichem Kunstgewand, in Bild und Ton.
Sie war und ist auch nach ihrem Tod eine Ikone der saarländischen Musikszene. Susan Weinert war bereits in den 80er Jahren mit Jazz, Rock und Funk verbunden. Die Jazzgitarristin, Komponistin und Produzentin lebte ihr Talent, doch sie starb viel zu jung im März 2020 nach schwerer Krankheit. Die Erinnerung an ihre Person und ihre Kompositionen leben ewig und seit diesen Tagen sind es sogar einige mehr geworden. Unter dem Projektnamen “Nachtwind” wurden jetzt von ihrem Mann Martin Weinert Stücke veröffentlicht, die Susan Weinert größtenteils noch in den Wochen vor ihrem Tod geschrieben hat.
Genau diese Kompositionen leben aber nicht nur durch die Musik selbst weiter, sondern durch die Symbiose der verschiedensten Kunstformen. Möglich gemacht hat das unter anderem die Homburger Künstlerin und Galeristin Julia Johannsen. Durch Pianist Sebastian Voltz, der bereits in der Vergangenheit mit Susan Weinert Musik machte und für den Johannsen bereits ein Cover-Artwort entwarf, kam die Anfrage über Martin Weinert zu der Visualisierung der letzten Lieder von Susan Weinert.
Seit ihrem ersten Pinselstrich ist über ein Jahr vergangen. Viele Stunden und Momente, die Johannsen intensivst genutzt hat, um mit der Musik zu verschmelzen und ihre Vorstellungen auf die Leinwand zu bringen. Wer Johannsen und ihre Kunst kennt, der weiß um ihre Vorliebe für die Farbe Blau. Auch wenn bei den Nachwind-Bildern ebenfalls blau dominiert, so implementiert sie hier auch Gelbtöne und weitere überraschende Elemente.
Zu sehen im Bild “Bunte Lichter in der Dunkelheit”. Angefangen habe sie mit mehreren Bildern gleichzeitig. Manche hätten für sie am Anfang nicht 100 % gepasst, erzählt sie. Aber nach und nach wurde der kreative Prozesss immer intensiver, gerade weil es ihr wichtig war den Wind in ihren Bildern ausdrucksstark einzufangen. “Es ist kein einfaches Thema, ich wollte der Sache gerecht werden”, sagt Johannsen.
Die Titel der Lieder und ihrer Bilder sind: Der Augenblick. Die Endlichkeit. Der Fluss. Bunte Lichter in der Dunkelheit. Früh morgens. Sonnenwende. November. Die Kraniche.
Der Abend in der Galerie Julia Johannsen bildete eine Schnittmenge der unterschiedlichsten Talente, die allesamt sich mit der Ehrung und Interpretation der letzten Werke von Susan Weinert beschäftigten. Mit dabei auch Schauspieler und Künstler Martin Feifel. Er ist mittlerweile ein oft gesehener Gast in Homburg und hat schon so einige Kunstwerke in der Galerie präsentiert. Für die Ausstellung “Nachtwind” hat er sich getraut, auch einmal etwas größer zu malen, erzählt Feifel im Homburg1 Gespräch. “Das war eine sehr schöne Erfahrung. Plötzlich hat man so viel Raum und weiß erst einmal gar nicht, wie man ihn eigentlich füllt.” Fünf Bilder hat er gemalt und gesteht, dass er schon sehr stolz auf sie ist. Doch wie malt man eigentlich den Nachtwind?
Auch für Martin Feifel stellte sich genau die Frage natürlich am Anfang. Schnell kam er zu der Überlegung, dass es sowohl einen dunklen als auch einen hellen Nachtwind gibt. “Wann fängt die Nacht überhaupt an? In der Dämmerung? Hört sie im Morgengrauen auf? Oder ist Nacht doch nur der Moment des ganz Dunklen? Hier fiel mir plötzlich auf, dass man mit ganz vielen Spielmöglichkeiten zu Nachtwind improvisieren kann.” Feifel malt nach Stimmungslage, nach Emotionen. So wundert es auch nicht, dass er es schafft lauten und leisen Wind zu visualisieren. Insgesamt hat sich Feifel nicht wie Johannsen an den Titeln der CD “Nachtwind” orientiert, sondern es sind passend zum Thema freie Werke und Interpretationen. Einzigartig wie die Musik selbst und man kann gleichermaßen viel darin entdecken.
Dies taten an diesem Freitagabend auch die zahlreichen Gäste. Die Gemälde und Klänge verwebten sich zu einer Sinfonie der Sinne, die in den Gemäuern der Galerie eine ganz eigene Sprache sprachen. Während der Vernissage wurde die Galerie zum lebhaften Resonanzkörper für die Musik Susan Weinerts, dargeboten durch Kristina Shamgunova am Saxophon und Martin Weinert am Kontrabass, die die Bilder zum Schwingen brachten. Dies schuf eine Atmosphäre, in der die Grenzen zwischen den Kunstformen nicht nur verwischten, sondern sich gegenseitig erhoben.
“Nachtwind” bleibt jedenfalls bis Ende Februar 2024 eine feste Größe im Kulturkalender Homburgs und lädt die Besucher ein, sich selbst in den Nachhall der Werke Weinerts zu begeben. Die Ausstellung ist und bleibt nicht nur eine Huldigung an das Lebenswerk einer Künstlerin, sondern wird durch die Kooperation so vieler Talente selbst zu einem lebendigen, atmenden Organismus, der die Besucher einlädt, Teil des Dialogs zwischen Musik und Malerei zu werden. Es lohnt sich, sich auf den “Nachtwind” einzulassen. Übrigens gibt es die Nachtwind Kunst auch in einem einzigartigen Buch, das käuflich zu erwerben ist.
Mehr Bilder von der Vernissage “Nachtwind” in der Galerie Julia Johannsen Homburg: