Norbert Fries (links) gibt Erläuterungen zu seinem Felsenkeller in der Alten Pfarrgasse. Das große Gewölbe diente u.a. als Lagerraum einer angrenzenden Brauerei und als Luftschutzkeller und Notlazarett im 2. Weltkrieg. Foto: Uwe Brengel
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Erforschung des unterirdischen Blieskastel geplant. Aufruf an die Bevölkerung.
Die Stadt Blieskastel wirbt gerne mit den verwinkelten Gassen in der Altstadt. Der kleine Flecken Blieskastel entwickelte sich nach dem 30-jährigen Krieg unterhalb der mächtigen Sandsteinwände parallel zum Bliestal und in Richtung der alten Chaussee, der heutigen Schlossbergstraße, einen Taleinschnitt hinauf. Die Bebauung geschah relativ ungeplant. Die alten Gassen sind krumm und passen sich dem Geländerelief an. So schmiegen sich etwa auch die Häuser der Alten Pfarrgasse an die steile Felswand des Han an. Zu etlichen der Häuser gehören auch ein oder mehrere Felsenkeller.
Neben diesen Felsenkellern gibt es noch weitere Grotten, Höhlen und Keller hinter den Häusern, die am Felsen unterhalb der Burg standen. Diese umfassen neben den Häusern auf der linken Seite der Schlossbergstraße, auch Teile der heutigen Saargemünder- und Kardinal-Wendel-Straße. Auch in dem südlich liegenden Sandsteinfelsen, auf dem sich seit 1911/12 die evangelische Kirche erhebt, finden sich Felsenkeller. In den 1960er/70er Jahren gab es Planungen unter dieser Kirche eine Tiefgarage inclusive einem Luftschutzkeller zu bauen.
Neben der Viehhaltung, von Hasen über Hühner bis zur sogenannten Bergmannskuh, der Ziege, dienten die Keller auch zur Vorratshaltung. Da es in den tieferen Kellern recht kühl und die Temperatur auch noch relativ konstant blieb, wurden sie – teilweise noch heute – quasi als Kühlschrankersatz auch zur Lagerung von Lebensmitteln benutzt. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts lagerten Wirte in ihren Felsenkellern auch das Stangeneis, mit welchem sie ihre Getränke kühl hielten. Daneben dienten und dienen sie ihnen auch weiterhin noch als Lagerräume für Getränke und Wirtschaftsgüter der unterschiedlichsten Art. In den 1920/30er Jahren hatte der Gastwirt Schwalb in seinem Felsenkeller zeitweilig auch eine Brennerei untergebracht. Als Lagerort sind aber nicht alle Felsenkeller gleichermaßen geeignet. So werden einige der Keller in der Pfarrgasse aufgrund einiger Quellen als feucht bis sehr feucht bezeichnet. Auch die Brunnenstube des Napoleonsbrunnen befindet sich in einem Felsenkeller im Sandstein unterhalb des Han.
Aber diese Keller, die von ihren Besitzern oft noch künstlich erweitert wurden, dienten gleichfalls als Schutzraum und Notunterkunft. So auch während des 2. Weltkrieges, als die Stollen und Felsenkeller als Zufluchtsort vor den Fliegerangriffen der alliierten Truppen aufgesucht wurden. Gegen Ende des 2. Weltkrieges Dezember 1944/Januar 1945 – bei der zweiten Evakuierung – wiedersetzten sich viele Menschen dieser erneuten Räumung und suchten stattdessen Schutz in den Stollen und Felsenkellern der Umgebung. Ein Zeitzeuge erinnerte sich an diese schreckliche Zeit: „Die Kriegsweihnacht 1944 stand vor der Tür. Die Einwohner von Blieskastel waren alle evakuiert. Heimlich haben sich die ersten heimgeschlichen. Sie wurden immer mehr. Die Stadt war voll von Soldaten, Offizieren und ganz hohen Militärs. Wir haben uns besonnen, was man an der Christmette tun könnte. Wir haben uns geeinigt, sie im Felsenkeller hinter dem Gasthaus Wittenmeier – am Schlossberg gelegen – zu feiern. In diesem Keller hatten viele Blieskasteler Bürger, die evakuiert waren, ihre Habseligkeiten in Koffern abgestellt. Die Soldaten hatten von der Schule oder von der Kirche ein Harmonium hierher gebracht. Herr Dawo, der spätere Bürgermeister, war im Krieg Organist und Chorleiter des Kirchenchores. Wir haben beim Singen gehört, wie die Soldaten und die Bürger geschluchzt haben. Wir haben noch gesungen ‚Auf Bethlehems Fluren‘ und ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘. Das war ein Erlebnis in dieser traurigen Zeit, das den Teilnehmern unvergessen bleibt. Es ist unbeschreiblich, wie unser Gesang in dem hohen Keller geklungen hat.“
 Nach einer Liste aus dem Jahre 1962 gibt es in Blieskastel in den drei großen Sandsteinfelsen mindestens 22 Felsenkeller. Diese waren zwischen 20 und 250 m2 groß. Der größte Keller befindet sich am Schlossberg. Glücklicherweise mussten die Keller in den letzten siebzig Jahren nicht mehr als Notunterkunft benutzt werden, sondern dienen ihren Besitzern nur noch als Lager- oder Partyraum. Der bekannteste war hierbei wohl der Rover-Keller. Im November 1964 weihten die Blieskasteler Pfadfinder vom „Stamm von der Leyen“ den Felsenkeller an der B 423 unterhalb der evangelischen Kirche als ihr neues Heim ein. Er diente nun nicht mehr als Vorratslager des Lebensmittelgroßhändlers Wies, sondern bis 2011 zur geselligen Zusammenkunft der Rover und ihrer Gäste.
1978 fand in Blieskastel das erste Altstadtfest statt. Einige Privatleute öffneten ihre Hinterhöfe und Felsenkeller, so dass die ersten beiden Altstadtfeste von vielen Besuchern als die bislang schönsten, mit dem größten Flair angesehen werden. Aufgrund der strengeren Bestimmungen und polizeilichen Auflagen dürfen heute etliche der Felsenkeller nicht mehr bei solchen Großveranstaltungen geöffnet werden.
Von dem Blieskasteler Sascha Schmidt ging die Initiative aus, die spannende Geschichte der Blieskasteler Unterwelt zu erforschen; die Geschichten und Geschichtchen zu den Felsenkellern, den Bunkern und unterirdischen Gängen zu suchen, zu sammeln, niederzuschreiben. Der Fotograf Edgar Fischer will die Örtlichkeiten dokumentieren. Natürlich wird dies nur in Absprache mit den Eigentümern geschehen. Bei den Nachforschungen hofft man auf Hilfe aus der Bevölkerung. Wer etwas hierzu erzählen kann, wende sich bitte an Stadtarchivar Kurt Legrum, Tel. 06842-9261321, oder an Sascha Schmidt, Tel. 0178-3923574. Auch die Eigentümer von Felsenkellern, die dem Forschungsteam den Zugang zu den Kellern gestatten wollen, möchten sich bitte melden.

Kurt Legrum

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