Gängige Botschaften von Impfkampagnen verfehlen vielfach ihr Ziel. Eine Studie in acht europäischen Ländern zeigt, dass Informationen über Vorteile der Impfstoffe die Impfbereitschaft sogar verringern können. Untersucht wurde auch, welche Faktoren die Wirkung der Botschaften hemmen, darunter eine geringe Gesundheitskompetenz. Eine weitere Studie gibt Hinweise, welche Rolle die Art der Zulassungsverfahren für das Vertrauen in die Impfstoffe spielt.

Nur wenige Corona-Impfkampagnen in Europa waren so erfolgreich wie von den Gesundheitsbehörden erhofft. Allerdings haben bisherige Studien in verschiedenen Ländern kein einheitliches Bild ergeben, mit welchen Kommunikationsstrategien die Impfbereitschaft erhöht werden kann und welche Faktoren verschiedenen Botschaften entgegen wirken. Ein Team der Hochschule für Politik an der Technischen Universität München (TUM), der Universität Trient und der London School of Economics and Political Science ist diesen Fragen in Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Schweden und Spanien auf den Grund gegangen.

Mehr als 10.000 ungeimpfte Erwachsene bekamen online im Juni 2021 (in Deutschland im April), während der Hochphase der Impfkampagnen, zunächst allgemeine Informationen über die vorhandenen Impfstoffe. Dann erhielten sie eine von drei Botschaften mit Text und Bildern oder wurden einer Kontrollgruppe zugeordnet. Botschaft 1 verdeutlichte, wie stark die vorhandenen Impfstoffe das Risiko reduzieren, schwer an Covid-19 zu erkranken und zu sterben. Botschaft 2 betonte die Vorteile, die Geimpfte mit einem Zertifikat im Vergleich zu Ungeimpften haben, vor allem beim Reisen. Botschaft 3 veranschaulichte die Aussicht auf den Wegfall aller Beschränkungen in der Freizeit, etwa beim Besuch von Restaurants, Kinos, Fitnessstudios und Konzerten. Anschließend wurden alle Teilnehmenden gefragt, ob sie sich in der folgenden Woche gegen Covid-19 impfen lassen würden, falls Sie die Möglichkeit dazu bekämen.

Nur in Deutschland wirkten drei Botschaften

Die in „Science Advances“ veröffentlichte Studie zeigt, dass lediglich in Deutschland und in geringerem Ausmaß in Großbritannien die Impfquote mit den getesteten Botschaften gesteigert werden könnte. In Deutschland war die Impfbereitschaft in den drei Gruppen signifikant höher als in der Kontrollgruppe. In Großbritannien war dies bei der Gruppe der Fall, in der die Vorteile eines Impfzertifikats betont wurden. In allen anderen Ländern erzielten die Botschaften keinen Effekt – oder das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung: Die Menschen in Spanien und Italien, die über die Reduzierung des Krankheitsrisikos durch die Impfung informiert wurden, wollten sich seltener impfen lassen als die jeweilige Kontrollgruppe.

Gesundheitskompetenz entscheidend

Mit Data-Mining-Methoden konnte das Forschungsteam in einer detaillierten Auswertung verschiedene Zusammenhänge zwischen der Wirksamkeit der Botschaften und soziodemografischen Merkmalen sowie den folgenden Faktoren herausarbeiten: dem Vertrauen der Bürger in die jeweilige Regierung, ihrer Kompetenz in Gesundheitsfragen und dem Anteil der Bevölkerung, der an bestimmte Verschwörungstheorien glaubt. Die Ausprägung dieser Faktoren (die nicht monokausal zu verstehen sind) in den jeweiligen Ländern ermittelten sie aus vorhandenen Erhebungen.

Für alle Botschaften gilt, dass sie ihr Ziel weniger wahrscheinlich erreichen, wenn die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gering ist. „Dieses Ergebnis hat uns überrascht“, sagt Matteo M. Galizzi, Professor für Behavioural Science an der London School of Economics and Political Science. „Wir hatten eher angenommen, dass verständliche und visualisierte Informationen über Covid-19 bei Menschen mit wenig Vorwissen zu mehr Verständnis für die Krankheit und damit auch zu einer größeren Impfbereitschaft führen.“ Bisherige Vermutungen, dass Vertrauen in die eigene Regierung einen positiven Effekt hat, werden dagegen durch das Studienergebnis bestätigt.

Ältere Menschen weniger empfänglich

Waren Verschwörungstheorien vergleichsweise weit verbreitet, erzielten sowohl die Botschaft der gesundheitlichen Vorteile als auch die Aussicht auf künftige Freizeitmöglichkeiten keine signifikanten Erfolge. „Die Auswertung zeigt, dass diese starke Desinformation auch die negative Wirkung der gesundheitlichen Aufklärung in Spanien und Italien erklären kann“, sagt Giuseppe A. Veltri, Professor für Computational Social Science der Universität Trient.

Unterschiede stellte das Forschungsteam zwischen einzelnen soziodemografischen Gruppen fest. Beispielsweise ließen sich Männer mit einem geringen Bildungsgrad von den beiden Botschaften, die auf Vorteile in Alltag und Freizeit abzielen, häufiger von der Impfung überzeugen als Männer mit gleichem Profil in der Kontrollgruppe. Bei dieser Gruppe zeigte sich auch ein besonders deutlicher Effekt, wenn in einem Land das Vertrauen in die Regierung groß und die Verbreitung von Verschwörungstheorien gering war. Ältere Menschen waren für alle Botschaften tendenziell weniger empfänglich als jüngere.

„Kampagnen stärker differenzieren“

„Während der Pandemie wurde oft in andere Länder geschaut, was dort besser oder schlechter läuft. Unsere Studie zeigt, dass solche Vergleiche nur bedingt hilfreich sind“, sagt Prof. Tim Büthe vom Lehrstuhl für International Relations der TUM. „Erfolgversprechender ist vielmehr, in jedem Land die gegebenen Voraussetzungen zu untersuchen und dann politische Maßnahmen und Kommunikation gezielt darauf abzustimmen. Das kann die Politik auch jetzt noch für Kampagnen zu weiteren Corona-Boosterimpfungen angehen.“

Studienleiterin Janina Steinert, Professorin für Global Health an der TUM, betont: „Die Botschaften, die zur Impfung motivieren, sollten differenzierter für einzelne Zielgruppen zugeschnitten und verbreitet werden, beispielsweise über bestimmte Social-Media-Kanäle oder mit Anzeigen in Medien, die sich an einzelne Geschlechter und Altersgruppen richten. Bei einem geringen Vertrauen in die Regierung könnten Personen als Kommunikatoren auftreten, die Vorbilder für einzelne soziodemografische Gruppen sind.“

Sollten jedoch die Erfolgsaussichten für eine Kommunikationskampagne aufgrund mehrerer bekannter Hemmnisse schlecht sein, empfiehlt das Forschungsteam, den Schwerpunkt auf andere Maßnahmen zu legen. Möglich seien etwa konkrete Belohnungen oder ein individuell zugewiesener Impftermin, dem man nur aktiv widersprechen kann. „Langfristig sollten alle Länder die Gesundheitskompetenz ihrer Bürger stärken, um die Effektivität künftiger Impfkampagnen zu erhöhen“, sagt Steinert.

Weitere Studie zeigt Rolle der Zulassungsverfahren

Eine weitere Studie, die online veröffentlicht ist und derzeit den wissenschaftlichen Begutachtungsprozess durchläuft, gibt Hinweise, wie das Vertrauen in Impfstoffe von deren Zulassungsverfahren abhängt. Forschende der TUM, der Universität Innsbruck und der Privatuniversität UMIT Tirol haben im frühen Stadium der Impfkampagne, im März 2021, einer repräsentativen Stichprobe von rund 2.000 deutschen Erwachsenen Informationen zu einem hypothetischen mRNA-Impfstoff gezeigt. Die Teilnehmenden wurden zufällig in vier Gruppen eingeteilt: Sie erhielten entweder das Szenario einer Notfallzulassung, die entweder fünf oder 20 Tage gedauert hatte, oder eines beschleunigten, aber vertieften Verfahrens, das 20 oder 150 Tage gedauert hatte. Anschließend wurden sie gefragt, ob sie sich mit diesem Impfstoff immunisieren lassen würden, ob sie dem Vakzin vertrauen und ob sie dafür zahlen würden.

Vergleicht man die beiden Gruppen, die von einer Verfahrensdauer von 20 Tagen ausgingen, waren die Impfbereitschaft und das Vertrauen beim vertieften Verfahren gegenüber der Notfallzulassung deutlich größer (um 13 bzw. 12 Prozentpunkte). Diese Gruppe war zudem willens, acht bis neun Euro mehr für den Impfstoff zu zahlen. Eine jeweils längere Prüfungsdauer hatte dagegen geringfügigere Auswirkungen: Im Vergleich der beiden Gruppen, denen die Notfallzulassung zugeordnet war, erhöhte die Verlängerung von fünf auf 20 Tage Impfbereitschaft und Vertrauen um fünf bis sechs Prozentpunkte. Die Verlängerung der vertieften Prüfung von 20 auf 150 Tage hatte keinen signifikanten Effekt. „Die Zulassungsbehörden stehen in einer Pandemie vor der Abwägung, einerseits möglichst schnell Impfungen zu genehmigen und andererseits mit einer möglichst gründlichen Prüfung Vertrauen zu schaffen“, sagt Studienautor Philipp Lergetporer, Professor für Economics an der TUM. „Unsere Studie kann zur Grundlage für diese schwierigen Entscheidungen beitragen.“

Mehr Informationen:
Die in „Science Advances“ veröffentlichte Studie Studie ist Teil des Projekts „PERISCOPE – Pan-europäische Antwort auf die Auswirkungen von Covid-19 sowie zukünftige Epidemien und Pandemien“, das von der EU mit 10 Millionen Euro gefördert wird. 32 Partnerinstitutionen aus 15 europäischen Ländern untersuchen hier die sozialen politischen und ökonomischen Auswirkungen der Pandemie.

Originalpublikation:

Steinert JI, Sternberg H, Prince H, Fasolo B, Galizzi M, Buethe T, Veltri GA (2022). COVID-19 Vaccine Hesitancy in Eight European Countries: Prevalence, Determinants and Heterogeneity. Science Advances Vol 8, Issue 17. DOI: 10.1126/sciadv.abm9825
https://doi.org/10.1126/sciadv.abm9825

Angerer S, Glätzle-Rützler D, Lergetporer P, Rittmannsberger T (2022). How Does the Vaccine Approval Procedure Affect Covid-19 Vaccination Intentions? SSRN (Working Paper). DOI: 10.2139/ssrn.4073498
http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4073498

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