Wie stark diese und andere Maßnahmen zur Konjunkturstimulierung wirken, ist unter Ökonomen umstritten. Gesamtwirtschaftliche Daten, die Hinweise liefern könnten, werden wohl nicht vor Mitte 2021 vorliegen. Diese zeitliche Verzögerung ist in der unübersichtlichen Corona-Krise längst nicht nur ein akademisches Problem, betonen Dullien und Behringer: „Dies ist für Entscheidungsträger problematisch, weil möglicherweise weit früher weitere Maßnahmen zur Konjunkturstützung notwendig werden könnten, wenn sich bisherige Stützungsversuche als unzureichend erweisen sollten“, schreiben die Forscher. Um die Lücke zu verkleinern, haben die IMK-Experten die Böckler-Erwerbstätigenbefragung von Ende Juni ausgewertet. Die Befragung bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab.

In der Umfrage gab ein knappes Viertel aller Befragten an, wegen der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung ihr Konsumverhalten zu ändern. Die größte Gruppe von ihnen – 14,4 Prozent – hatte vor, eigentlich für später geplante Anschaffungen in dieses Jahr vorzuziehen, 3,2 Prozent der Befragten erklärten, die Steuersenkung für bislang nicht geplante zusätzliche Anschaffungen zu nutzen. Beide Verhaltensweisen würden dem Ziel der Regierung, Konsum und Konjunktur kurzfristig zu beflügeln, entsprechen.

Weitere 8,1 Prozent antworteten, sie würden Anschaffungen, die sie eigentlich schon früher geplant hatten, nun in die Zeit mit niedrigerer Mehrwertsteuer verschieben – woraus sich kein positiver Konjunktureffekt ergeben würde. Rund drei Viertel der Interviewten gaben an, die Mehrwertsteuersenkung habe gar keine Auswirkungen auf ihr Ausgabenverhalten. Zwar berichteten knapp 53 Prozent jener gut 17 Prozent der Befragten, die Ausgaben vorziehen oder zusätzlich tätigen wollten, darunter seien auch Haushaltsgeräte oder -gegenstände, also möglicherweise auch größere Anschaffungen. Unter dem Strich seien die Effekte der Steuersenkung jedoch „eher begrenzt“, weil sie relativ wenig zusätzlichen oder vorgezogenen Konsum auslösten, konstatieren die Forscher.

Höher schätzen die Ökonomen die kurzfristige konjunkturelle Wirksamkeit von Einmalzahlungen und insbesondere des Kinderbonus´ ein. Dafür spricht nach der IMK-Studie einerseits, dass Befragte mit Kindern während der Corona-Krise deutlich häufiger von höheren Ausgaben berichten als Menschen ohne Kinder im Haushalt. Akuter finanzieller Bedarf sei also vorhanden. Zum anderen wurde in der Befragung direkt nachgefragt, was die Interviewpartner mit einer hypothetischen Einmalzahlung in Höhe von 1000 Euro machen würden. Gut 78 Prozent antworteten, sie würden zumindest einen erheblichen Teil davon ausgeben. Im Durchschnitt gaben die Befragten an, 415 Euro innerhalb der folgenden 12 Monate für den Konsum zu nutzen, weitere 185 Euro sollten für die Tilgung von Schulden aufgewendet werden.

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