Bild: lev dolgachov

Wissenschaftliche Erkenntnisse spiegeln nicht immer die Meinung der Öffentlichkeit wider. Dies scheint auch auf den sogenannten Elfmeterfluch der englischen Fußballer zuzutreffen. Eine aktuelle Studie der Deutschen Sporthochschule Köln konnte das weit verbreitete Klischee, englische Fußballer seien schlecht im Elfmeterschießen, nicht belegen.

Wenn die öffentliche Meinung von wissenschaftlichen Erkenntnissen abweicht, kann das mitunter zu Problemen führen, etwa wenn eine Mehrheit in der Öffentlichkeit bestimmte Stereotype vertritt und sich entsprechend dieser Klischees verhält. Ein im Fußball beliebtes Stereotyp: England verliert ständig im Elfmeterschießen und hat ein Torwartproblem.

In einer früheren Studie konnte das Team um Univ.-Prof. Dr. Daniel Memmert, Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule Köln, bereits belegen, dass englische Elfmeterschützen nicht schlechter vom Elfmeterpunkt abschneiden als Schützen anderer Nationen. Nun nahmen Michel Brinkschulte und seine Kollegen Dr. Philip Furley, Max Klemp und Prof. Dr. Daniel Memmert die Fußballtorhüter genauer unter die Lupe und untersuchten, ob die Nationalität von Torhütern einen Einfluss auf die Erfolgsquote beim Halten von Elfmetern hat. Die Ergebnisse sind jetzt erschienen in Scientific Reports unter dem Titel „English Goalkeepers Are Not Responsible for England’s Poor Performance in Penalty Shootouts in the Past”.

Die Wissenschaftler analysierten eine Stichprobe von 2.379 Elfmetern bei Fußball-Welt- und Europameisterschaften sowie in der Champions und der Europa League, bei denen 629 verschiedene Torhüter zwischen den Pfosten standen. Sie verglichen dann die Erfolgsquoten der Torhüter verschiedener Nationen. Daniel Memmert fasst das Hauptergebnis zusammen: „Die Ergebnisse zeigen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Erfolgsquoten. Diese liegt im Durchschnitt bei 22,23 Prozent, das heißt etwas mehr als jeder fünfte Elfmeter wurde vom Torwart gehalten. Wir kommen daher zu dem Schluss, dass englische Torhüter nicht für das schlechte Abschneiden Englands im Elfmeterschießen in der Vergangenheit verantwortlich sind, da sie genauso gut abschneiden wie Torhüter anderer Nationen.“ Das Autorenteam liefert somit ein Gegenargument zum weit verbreiteten Stereotyp, England habe ein Torwartproblem.

Der Erstautor der Studie, Michel Brinkschulte, unterstreicht: „Die Gründe für das schlechte Abschneiden der englischen Nationalmannschaft im Elfmeterschießen in der Vergangenheit liegen höchstwahrscheinlich in einer Reihe von Faktoren – darunter der enorme äußere Druck, wenn es um diesen entscheidenden Moment am Ende eines wichtigen Spiels geht, die Erwartungshaltung der eigenen Fans und die zu erwartende negative Berichterstattung der Medien, wenn der Erfolg ausbleibt.“ Mitautor Philip Furley fügt noch hinzu: „Darüber hinaus könnte die eher negative öffentliche Wahrnehmung von Englands Abschneiden im Elfmeterschießen auch darin begründet sein, dass die Elfmeterleistung bislang unzuverlässig gemessen wurde und dass es eine allgemeine Tendenz der Öffentlichkeit zur Stereotypisierung im Alltag und im Sport gibt.“

Die Nationalität eines Torhüters hat folglich nicht per se Einfluss auf seine Erfolgsquote bei Elfmetern. Englische Torhüter sind nicht für das schlechte Abschneiden ihrer Nation bei Elfmeterschießen in der Vergangenheit verantwortlich. Das weit verbreitete Stereotyp, englische Torhüter seien nicht gut, steht demnach nicht im Einklang mit dieser Erkenntnis.

Originalpublikation: www.nature.com/articles/s41598-021-04118-6

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