Nach einer Trennung ist eine Betreuung gemeinsamer Kinder nach dem Wechselmodell – also im Wechsel zwischen den beiden Eltern – eine Möglichkeit, die der dauerhaften Betreuung durch nur ein Elternteil – nach dem Residenzmodell – mindestens ebenbürtig ist; dies gilt nicht nur für das Wohlergehen der Kinder, sondern auch für die betreuenden Erziehungsberechtigten. Das ergibt eine Studie der Universitäten Marburg und Duisburg-Essen. Der Rechtswissen-schaftler Professor Dr. Tobias Helms von der Philipps-Universität Marburg und die Soziologin Professorin Dr. Anja Steinbach von der Universität Duisburg-Essen berichten in der „Zeitschrift für das gesamte Familienrecht“ über ihre Ergebnisse.
Gehen Eltern getrennte Wege, so müssen sie entscheiden, wo ihr Nachwuchs leben soll: dauerhaft bei einem Elternteil oder mal beim einen, mal bei der anderen. „In Deutschland ist das Residenzmodell die Regel“, erklärt Mitverfasser Tobias Helms. „Trennungskinder leben die meiste Zeit bei einem Elternteil, der andere Elternteil erhält ein Umgangsrecht.“
Ein alternatives Konzept ist das Wechselmodell, bei dem sich Mutter und Vater die Betreuung gleichberechtigt teilen. „Die teilweise sehr vehement geführte Debatte um das Wechselmodell konzentriert sich bislang im Grunde ausschließlich auf das Wohlbefinden der Kinder“, ergänzt Koautorin Anja Steinbach. Gemeinsam mit Helms hat sie die Studie „Familienmodelle in Deutschland“ (FAMOD) durchgeführt, deren Ergebnisse zum Kindeswohl 2021 in der „Zeitschrift für das ganze Familienrecht“ erschienen. Nun legen die beiden mit einer Auswertung nach, in deren Fokus das Elternwohl steht.
Steinbach und Helms zeigen darin, dass ähnlich wie bei den Kindern auch bei den Eltern ein Zusammenhang zwischen dem Betreuungsmodell und verschiedenen Dimensionen des Wohlbefindens besteht. Im Vergleich weisen hauptbetreuende Eltern, die ein Wechselmodell praktizieren, ein erhöhtes psychisches und soziales Wohlbefinden auf.
„Dabei gilt es jedoch, genau hinzuschauen, welche Betreuungsvariante die Eltern umsetzen“, schränkt Helms ein: So zeigen sich die Vorteile gegenüber dem Residenzmodell vor allem, wenn im Wechsel ein Elternteil einen größeren Anteil der Betreuung übernimmt als der andere. Die Fachleute sprechen dann von einem asymmetrischen Wechselmodell. In diesen Fällen zeigen sich beim Wohlbefinden der hauptbetreuenden Eltern die deutlichsten Unterschiede gegenüber dem Residenzkonzept. „Unsere Analy¬sen zeigen, dass es durchaus relevant ist, zwischen den verschiedenen Formen des Wechselmodells zu unterscheiden“, betont Steinbach.
Für die Studie wurden 1.233 Familien befragt, die nach einer Trennung ein Residenzmodell oder ein Wechselmodell praktizieren. „Auch im Hinblick auf das Elternwohl sprechen die Ergebnisse der Studie dafür, dem Wechselmodell gegenüber offen zu sein und dieses als eine alternative Betreuungsoption ernsthaft in Betracht zu ziehen“, resümiert Helms.
Originalveröffentlichung: Anja Steinbach & al.: Das Wohlbefinden von Eltern im Wechselmodell: Weitere Ergebnisse der Studie „Familienmodelle in Deutschland“ (FAMOD), FamRZ 2022, 1827-1837