Die Coronakrise hat das Gastgewerbe hart getroffen. Viele Beschäftigte haben sich andere Jobs gesucht. Ohne bessere Arbeitsbedingungen werden sie nicht zurückkommen – und die Branche wird generell nicht attraktiver für Arbeitskräfte. Neben weiteren Verbesserungen bei der Bezahlung spielt dabei eine berechenbare Arbeitsorganisation eine wichtige Rolle, ergibt eine neue Studie für die Hans-Böckler-Stiftung.
Vor Corona waren über zwei Millionen Menschen im Gastgewerbe tätig. Im April 2020 waren es 330.000 Beschäftigte weniger – trotz Kurzarbeit und anderer Unterstützungsmaßnahmen. Und bis heute ist das Vorkrisenniveau nicht wieder erreicht. Das geht aus der Untersuchung von Katrin Schmid und Dr. Stefan Stracke hervor. Die Fachleute von der Beratungsgesellschaft Wmp Consult haben die jüngsten Entwicklungen in der Branche analysiert, unter anderem durch die Befragung von mehr als 4000 Beschäftigten und von Betriebsräten. Sie schreiben: „Das bisherige Geschäftsmodell der Branche kam durch Corona ins Wanken und die Nachwirkungen sind immer noch zu spüren. Im Jahr 2022 waren noch rund 100.000 Beschäftigte weniger im Gastgewerbe tätig als vor der Pandemie. Die Frage ist, ob und wie sich diese Personallücke wieder schließen lässt.“
Das Gastgewerbe besteht in erster Linie aus Gastronomiebetrieben, hinzu kommen Hotels und Pensionen sowie Catering-Firmen. Meist handelt es sich um Kleinunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten. Die Zahl der Betriebe hat zu Beginn der Pandemie um rund 5000 abgenommen, 4200 davon in der Gastronomie. 2021 blieb sie – höchstwahrscheinlich wegen der staatlichen Überbrückungshilfen – in etwa konstant und liegt inzwischen knapp über dem Niveau von 2019. Nach einem Einbruch um gut 40 Prozent im Jahr 2020 sind die Umsätze wieder gestiegen, haben den Wert von 2019 aber nicht wieder erreicht. 2022 setzte die Branche nicht ganz 100 Milliarden Euro um, zeigt die Branchenanalyse, die die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gefördert hat und die heute auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wird.
Die Beschäftigung im Gastgewerbe hatte in den Jahren vor 2019 stetig zugenommen, wobei erstmals seit Jahren wieder mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse als Minijobs entstanden waren. Dieser Trend hat sich nach der Coronakrise allerdings wieder umgekehrt: Fast zwei Drittel des jüngsten Beschäftigungszuwachs entfallen auf Minijobs.
In allen Teilbereichen des Gastgewerbes hat der größte Teil der Beschäftigten in der Coronazeit Erfahrungen mit Kurzarbeitsgeld gemacht. In der Gastronomie waren es der Umfrage im Rahmen der Studie zufolge etwa 78 Prozent. Im Gastgewerbe, als „klassischer Niedriglohnbranche“, fiel naturgemäß auch das Kurzarbeitsgeld nicht üppig aus, so dass 44 Prozent der Beschäftigten angaben, es sei finanziell knapp gewesen, und 27 Prozent sagten, das Geld habe nicht gereicht.
Viele haben dem Gastgewerbe schließlich den Rücken gekehrt. Von den im Jahr 2020 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat ein Viertel die Branche gewechselt. Häufig arbeiten sie nun im Einzelhandel oder in Logistikberufen. Angesichts der Aussagen von befragten Beschäftigten überrascht die starke Abwanderung wenig: Neben der schlechten Bezahlung sind es regelmäßige Überstunden, ständiger Zeitdruck und enorme Anforderungen an die Flexibilität, die die Beschäftigten schlauchen. Vielfach ist es nicht die Arbeit an sich, die den Menschen zu schaffen macht, sondern die Organisation, zeigt die Befragung: Die Spätschicht am Wochenende zu übernehmen, ist nicht das Problem. Das Problem ist, erst einen Tag vorher zu erfahren, wann man eingeteilt ist. Ein Fünftel muss häufig jenseits der verabredeten Arbeitszeiten kurzfristig einspringen. Dabei sind die Planungsschwierigkeiten und das ständige Improvisieren selbst wiederum zu einem guten Teil dem Personalmangel geschuldet.
Wie kann es also gelingen, die Branche wieder attraktiver für Beschäftigte zu machen? Zumindest in Sachen Bezahlung, dem Hauptkritikpunkt der Beschäftigten, ist in jüngster Zeit Bewegung ins Gastgewerbe gekommen. Die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und eine Reihe neuer Tarifverträge, die in der Folge geschlossen wurden, haben das Niveau deutlich angehoben. Die Branche zählt aber trotzdem beim Lohnniveau weiterhin zu den Schlusslichtern. Zumal die Tarifbindung niedrig ist und die hohe Inflation von der gewonnenen Kaufkraft wieder viel aufgezehrt hat. Insofern seien weitere Verbesserungen der Entlohnung geboten, sagen die Fachleute.
Aktuell beobachten sie dafür auch Chancen. So nehme „der Wert von Tarifverträgen laut Branchenvertretern als Aushängeschild für `Gute Arbeit´ zu, nicht zuletzt, weil die Konkurrenz durch andere Branchen stark zugenommen hat.“ Vor diesem Hintergrund könne ein weiterer Ansatzpunkt ein neuer Vorschlag der Gewerkschaft NGG sein, wonach alle Beschäftigten im Gastgewerbe nach ihrer Ausbildung einen Einstiegslohn („Gastro-Start-Lohn“) von mindestens 3000 Euro brutto bei Vollzeitarbeit erhalten sollen.
Zusätzlich bedürfe es „beschäftigtenorientierter Regelungen zur Arbeitszeit“. Gerade wo das Gästeaufkommen und damit die Arbeitsbelastung stark schwanken – Saisonbetrieb, Stoßzeiten –, seien „Aspekte von guter Arbeitsorganisation, Kompensationen und entlastenden Maßnahmen umso wichtiger“. Das Gastgewerbe müsse sich insgesamt bewegen. Die zuletzt zu beobachtende Strategie, die Abwanderung regulär Beschäftigter durch noch mehr Minijobs zu kompensieren, sei keine dauerhaft tragfähige Lösung.
Originalpublikation: Katrin Schmid, Stefan Stracke: Branchenanalyse Gastgewerbe, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 301, August 2023. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008711