Es ist durchaus bekannt, dass Porzellan ursprünglich eine chinesische Erfindung ist. Während nun die Chinesen dieses wunderbare Material „izu“ nennen, trägt das Porzellan in englischsprachigen Ländern die Bezeichnung „china“. Das Porzellan selbst wird bereits in die Han-Dynastie datiert, die im Jahr 220 endete und das erste Porzellan mit kobaltblauer Malerei kennt man schon seit dem 9. Jahrhundert. Die Blütezeit des Blau-Weißen Porzellans liegt in der Ming-Dynastie um 1600, die mit ihren Vasen den Inbegriff unserer Vorstellung von kostbarem chinesischem Porzellan darstellt. Mit der in Europa einsetzenden China-Mode des ausgehenden 17. Jahrhunderts und dem Handel der Ostindischen Kompanie gelangten bedeutende Mengen chinesischer Porzellanware in die höfischen Sammlungen Europas.
Bevor in Dresden das Arkanum, also das Geheimnis der Porzellanherstellung gelüftet wurde, gehörte chinesisches Porzellan neben Gemälden, Münzen und Naturalien zu den begehrtesten Objekten fürstlicher Sammlungen des 18. Jahrhunderts. Porzellan wurde als Kostbarkeit in entsprechenden Repräsentationsräumen oder in der höfischen Silberkammer aufbewahrt. Die größte Sammlung asiatischen Porzellans in Nordeuropa besaß Friedrich August I. von Sachsen, genannt August der Starke, der Urgroßvater der sächsischen Prinzessin Maria Amalia Anna (1757-1831), die am 12. Februar 1774 mit Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken in Dresden die Ehe einging und ab 1775 als Herzogin von Pfalz-Zweibrücken in Homburg lebte. Die familiäre Beziehung des herzoglichen Hauses nach Sachsen wirkte sich indirekt auch auf das Inventar der Silberkammer aus, wo neben dem Tafelsilber auch Porzellan aus Meissen, Frankenthal, Nymphenburg sowie ostasiatisches Porzellan und ein Bestand an Karaffen, Gläsern und Fayencen aufbewahrt wurde. Die Silberkammer des Schlosses Karlsberg befand sich in unmittelbarer Nähe der beiden Speisesäle im ersten Obergeschoss des nördlichen Ehrenhofflügels. In insgesamt „14 grose breite Schenk mit gläsernen Thüren vor das Silber und Porcelan dareinen aufzuheben inwendig mit Scheften“ stellten die Silbermägde das gewienerte Silber und die porzellanenen Kostbarkeiten vorsichtig hinein.
Bei dem vorliegenden Karlsberger Fundstück handelt es sich um die Scherbe einer Tellerfahne aus chinesischem Porzellan. Das Muster besteht aus einer kobaltblauen Unterglasurbemalung mit stilisiertem Granatapfelmotiv und floralem Dekor sowie einer braunen Randlinie auf bläulichweißer Glasur. Was diesen Fund vom Karlsberg so besonders macht, ist die Tatsache, dass sich in der Kulturstiftung Dessau Wörlitz eine zehnteilige Sammlung von chinesischem Porzellan des beginnenden 18. Jahrhunderts befindet, die ein völlig identisches Motiv aufweist. Die dortigen Teller gehören zum Porzellan der Prinzessin Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau (1715-1780) aus deren anmutigem Rokoko-Schloss Mosigkau. Das Karlsberger Porzellan stammt daher aus der gleichen Sammler-Quelle wie das der Tochter des Fürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau, dem Großvater jenes Mannes, der das Dessau-Wörlitzer Gartenreich schuf.
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