Am Forschungszentrum Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück gehen unter der Leitung von Prof. Dr. Helen Schwenken derzeit drei Forschungsprojekte ihrem Ende entgegen, die sich mit den Entwicklungen zu Flucht und der Unterstützung von Geflüchteten seit 2015 befassen. Was sagt die Forschung – ‚haben wir es geschafft‘?

„Die Ergebnisse unserer Forschung zur Unterstützung Geflüchteter deuten alle auf Gleichzeitigkeiten und Ambivalenzen hin. Dabei wird schon die Frage, was ‚geschafft‘ wurde, von politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren sehr unterschiedlich beantwortet. Auch beim ‚wir‘ gibt es Uneinigkeit“, so Prof. Dr. Helen Schwenken. „Unsere Forschung zeigt das immense Maß an zivilgesellschaftlichem Engagement auf. Ohne dieses wäre es zu weitaus größeren gesellschaftlichen Verwerfungen gekommen, weil die in 2015 unzureichende staatliche Aufnahmeinfrastruktur noch viel offensichtlicher geworden wäre. Aus dieser Situation heraus politisierten sich auch viele Ehrenamtliche.“

Personen, die vielleicht zunächst ‚nur‘ einem geflüchteten Kind beim Deutschlernen halfen, sahen die Auswirkungen geschlossener Grenzen und versagtem Familiennachzugs und begannen sich für Fragen des Zugangs zu Schutz zu interessieren. Initiativen wie die „Seebrücke“ oder der Zusammenschluss von Kommunen „Sichere Häfen“ gründeten sich.“ Zugleich wurden die Stimmen immer lauter und manifestierten sich in restriktiveren Politiken, die die Zahl der Geflüchteten reduzieren wollten. Was geschafft war oder werden sollte, bleibt also Gegenstand von Konflikten, so Schwenken weiter.

Diese Gleichzeitigkeit von Willkommens- und Ablehnungskultur zeigt sich auch im Feld von Geschlecht und Flucht, dem sich die Osnabrücker Forscherinnen in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt zu Demokratie und Willkommenskultur zuwandten. Nach 2015 gab es eine verstärkte Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit für die besondere Vulnerabilität von geflüchteten Frauen.

„Die Erfahrungen von Unterstützenden im Feld geschlechtsspezifischer Gewalt zeigen jedoch: Maßnahmen zum Schutz geflüchteter Frauen kollidieren mit restriktiver Asylpolitik und der unzureichenden Ausstattung der Hilfeinfrastruktur”, so Dr. Samia Dinkelaker. „Wenn etwa das Bleiberecht einer Frau von dem eines gewalttätigen Ehepartners abhängt, dann ist es für die Betroffenen schwer, die Partnerschaft aufzukündigen.“ Viele Frauenhäuser sind zudem aufgrund einer in Deutschland immer noch an internationalen Standards (Istanbul-Konvention) gemessenen zu geringen Ausstattung mit Plätzen für Schutzsuchende stets an ihren Kapazitätsgrenzen.

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