Hochherrschaftlich thront der Bergfried der Kirkeler Burg über der Gemeinde. Doch nicht nur das überirdisch sichtbare Panorama der Festungsanlage ist beeindruckend. Auch unterirdisch gibt es mit dem Burgbrunnen etwas Spannenendes zu entdecken. HOMBURG1 hat die dortigen Ausgrabungen besucht und erfahren, was es dort zu finden gibt und wieso gerade dieses Projekt so besonders ist.
Wer im Sommer an einem Freitagnachmittag die Stufen zur Oberburg in Kirkel erklimmt, der hört nach einigen Metern ungewöhnliche Geräusche. Laute Rufe sind zu vernehmen und ein Donnern, das zunächst nicht so recht mit der friedlich daliegenden Burg in Einklang zu bringen ist. Wer sich auf die Suche nach dem Ursprung des Lärms macht, entdeckt bald einen grünen Geräteschuppen und ein weißes Zelt auf dem Felsplateau.
Und drum herum drei Menschen, die offenkundig fleißig am Arbeiten sind. Doch sind es keine Bauarbeiter, die hier am Werkeln sind, sondern ein Grabungsteam rund um die Archäologin Dr. Christel Bernard, das versucht, der Kirkeler Burg Geheimnisse zu entlocken. Denn unter dem Zelt erstreckt sich ein tiefer Schacht, der den Burgbewohnern als Brunnen diente und seit vielen Jahren verfüllt ist.
Seit 2014 wird dieser mühsam freigelegt, Stück für Stück. „In 12 Stunden schaffen wir rund 70cm, momentan sind wir bei 36 Metern Tiefe angelangt“, so Bernard. Während sie für die Auswertung und Interpretation der Entdeckungen verantwortlich ist, kümmert sich ein vierköpfiges, ehrenamtlich arbeitendes Team um die „Handarbeit.“ Dabei wird die Füllung des Brunnens, vor allem Sand und Steine, nach und nach abgetragen. Es ist das Ehepaar Udo und Anne Bernimollin, das immer abwechselnd mittels einer Leiter in den dunklen Schlund hinabsteigt. „Mulmig ist mir dabei aber nicht“, versichert die am Fuße der Burg aufgewachsene Anne Bernimollin. „Schließlich sind wir ja angegurtet und so kann einem nicht viel passieren.“
Viel Zeit bleibt ohnehin nicht, um sich Sorgen zu machen, denn in der Tiefe ist einiges zu erledigen. So müssen Sand und Steine entfernt und in den vier Eimern verstaut werden. Über eine Kettenwinde kommen diese oben an. In Empfang nimmt sie Thomas Bronder, der als Höhenretter und Bergbauingenieur in erster Linie für die Sicherheit vor Ort zuständig ist. Oben siebt schließlich Georg Dittgen den Sand und befördert die Steine über eine Röhre in einen unterhalb der Burg aufgestellten Container – daher auch das Grollen, das immer wieder zu hören ist. Während die Grabung selbst verhältnismäßig monoton verläuft, sind die Funde, die die fünf immer wieder machen, durchaus erstaunlich.
So kam schon ein Hundeskelett zum Vorschein, Stecknadeln, die früher als Gewandnadeln dienten, mehrere hundert Jahre alte Keramikscherben mit Inschriften – und eine prächtig verzierte Gabel, die wohl aus dem 17. Jahrhundert stammt und bald im Kirkeler Heimat- und Burgmuseum ausgestellt werden soll. Für das Team ein echter Höhepunkt der Grabungen. „Dieser Fund war für uns wirklich anrührend, denn es ist ein Stück aus dem Leben einer Person“, erzählt Bernard. „Was hat er damit gegessen? Ist sie ihm verloren gegangen oder hat er sie weggeschmissen? Das sind Fragen, die einem da durch den Kopf gehen.“
Während man darauf heute keine Antworten mehr bekommen wird, arbeitet die Gruppe fleißig daran, dass das bei weiteren Fragen anders aussieht. Dazu geht die Gruppe besonders akribisch vor, dokumentiert alle Arbeitsschritte und präpariert die Füllmasse in Person von Udo Bernimollin, das genaue Zeichnungen vorgenommen werden können. „Wir tragen zunächst immer nur eine Hälfte ab. Das stehende bleibende Material versuche ich dann so gut es geht, in zwei Richtungen eine gerade Fläche zu bekommen“, erklärt Bernimollin. Hört sich einfacher an als es ist, denn mitunter ragt auch mal ein Stein heraus.
Die Mühe lohnt sich, wie ein Blick in das Arbeitsbuch der Archäologin zeigt, wo das ganze Relief fein säuberlich abgezeichnet ist. In dieser Form ist diese Akribie eine Seltenheit, denn meist wird bei ähnlichen Grabungen schlicht und einfach die komplette Füllmasse ohne große Dokumentation ausgehoben. „Aber es ist wichtig, so genau wie möglich vorzugehen, weil sich nur so weitergehende Erkenntnisse und Zusammenhänge erschließen“, betont Bernard.
Ob sich das auch auf die Beantwortung der Frage auswirkt, wie alt der Brunnen ist? Möglich, doch auf spektakuläre Funde in großer Tiefe sollte man sich eher keine Hoffnungen machen. Theoretisch müssten solche am Ende des Schachts wohl aus der Anfangszeit stammen. Doch es gibt einen großen Haken. „Es ist so, dass die Brunnen früher in gewissen Zeitabständen gereinigt wurden. Das bedeutet, dass wir weiter unten wohl leider keine Artefakte aus der Anfangszeit mehr finden werden“, so Bernard.
Eines wird man aber auf jeden Fall herausfinden: die Tiefe des Brunnens. Da das Grundwasser rund 60 Meter unter der Burg liegt, geht das Grabungsteam davon, dass der Schacht tatsächlich auch so tief ist. Doch ganz genau weiß man es noch nicht. Dafür muss weitergegraben werden. Vermutlich noch vier bis fünf Jahre. Stück für Stück. Bis die Sohle erreicht ist, das Grabungszelt abgebaut werden kann und der Brunnen mitsamt neuem Brunnenkranz und Pflasterung in alter Blüte erstrahlt.