Für den Aufbau eines langanhaltenden immunologischen Schutzes vor COVID-19 empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI) drei Immunisierungen mit den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen. Eine SARS-CoV-2-Infektion kann ein Teil dieser drei Immunisierungen sein.
Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie empfiehlt aus immunologischer Sicht eine dreifache Immunisierung als Grundlage für eine langanhaltende Immunität und den dadurch vermittelten Schutz vor Infektion und COVID-19-Erkrankung. Dies gilt auch für die derzeit dominierenden Omikron-Varianten. Die Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 können bei Geimpften lediglich den Schutz vor Ansteckung teilweise unterlaufen, wohingegen der Schutz vor schwerer Erkrankung weitgehend bestehen bleibt. Immunisierungen können zwar auch durch eine nachgewiesene SARS-CoV-2-Infektion erfolgen, wie dies z.B. für sog. Durchbruchs-infektionen zweimal geimpfter Personen der Fall ist, sollten aber dennoch möglichst vermieden werden, denn eine SARS-CoV-2-Infektion ist und bleibt eine Infektion mit einem Krankheitserreger. Infektionen mit dem Omikron-Virus nach einer dreimaligen Impfung, die derzeit durch die hohen Infektionszahlen häufiger beobachtet werden, vermitteln eine weitere Verfestigung der Grundimmunisierung und damit einen verbesserten Schutz vor künftigen Infektionen. Dieser Effekt beruht u.a. auf der Verbesserung der sogenannten mukosalen Immunität auf den Schleimhäuten des Nasen-Rachenraums und auf der abermals verstärkten Antikörper-vermittelten Immunantwort gegen das Spike-Protein.
In der aktuellen Diskussion wird häufig etwas vereinfacht dargestellt, dass die Omikron-Variante mildere Krankheitsverläufe verursacht als die zuvor bekannten SARS-CoV-2-Varianten. Dabei sollte beachtet werden, dass dieser Effekt zu einem wesentlichen Teil durch den Impfschutz bedingt ist. Zwei- und sogar dreifach geimpfte Personen können sich trotzdem mit der Omikron-Variante anstecken, weil diese durch ihr teilweise verändertes Spike-Protein zum einen besonders infektiös ist und zum anderen die lokale Immunantwort im Nasen-Rachenraum unterlaufen kann. Daher beobachten wir aktuell einen geringeren Schutz gegen eine symptomatische Infektion mit Omikron, wobei dieser immer noch je nach Alter, Impfstoff und Abstand zur 3. Impfstoffdosis laut RKI Wochenbericht vom 17.02.22 bei >65% liegt [1]. In dem aktuellen Bericht aus England liegt der Schutz vor symptomatischer Infektion 3 Monate nach der letzten Dosis je nach Impfschema bei 40-70% [2]. Die durch drei Impfungen aufgebaute systemische Immunität durch Antikörper, Gedächtnis-B- und T-Zellen [3], schützt aber nach wie vor sehr gut vor einem schweren Krankheitsverlauf, da auch die Omikron-Variante diese Schutzmechanismen kaum unterlaufen und eine Virusausbreitung im Körper somit verhindert werden kann.
Auch Infektionen mit einer der bisherigen SARS-CoV-2-Varianten vermitteln eine Immun-antwort, die sich neben dem Spike-Protein auch gegen die anderen ca. 30 Virusproteine richtet. Eine vor der Omikron-Welle durch natürliche Infektion erworbene Immunität schützt allerdings schlechter vor einer Infektion mit Omikron als z.B. mit Delta (92% vs. 56% Schutz [4]). Bei der Omikron-Variante gibt es bei erstinfizierten Personen ohne vorherige Impfung vorläufige Hinweise auf eine geringere neutralisierende Antikörperantwort auch gegen andere Varianten [5]. In wieweit dies bei einer ersten Omikron-Infektion zu einer generell niedrigeren Immunität führt, muss anhand weiterer Studien untersucht werden. Ein gravierender Unterschied zwischen einer Infektion und einer Impfung besteht darin, dass SARS-COV-2 einerseits versucht, die infizierten Zellen in Richtung Virusproduktion zu manipulieren und andererseits versucht, „störende“ Immunantworten zu unterdrücken. An dieser Virus-vermittelten Manipulation sind nach aktuellem Stand mindestens sieben virale Proteine beteiligt [6-7]. Im Falle einer Infektion ohne vorherige Impfung können diese Mechanismen nahezu ungehindert ablaufen, da die Immunantwort der Virusinfektion „hinterherläuft“. Zur Verbesserung des Immunschutzes nach einer Infektion sind daher zwei weitere Impfungen erforderlich, wie in der 16. Aktualisierung der STIKO Empfehlung zur Impfung genesener Personen ausgeführt [8].
Bei einer Impfung mit dem Spike-Protein, das bei allen derzeit in Deutschland eingesetzten Impfstoffen das immunisierende Antigen darstellt, wird das Immunsystem mit seinen spezifischen Antikörpern und T-Zellen bereits vor einer Infektion auf das Virus vorbereitet. Dieser Vorsprung vermittelt bei immun-gesunden Personen einen effektiven und nachhaltigen Schutz vor schweren Verläufen, da eine Virusausbreitung im Körper weitgehend verhindert wird. Im Falle einer Infektion nach einer zwei- oder dreimaligen Impfung wird dieser immunologische Vorsprung durch die Verbesserung der Spike-spezifischen Antikörper- und T-Zellantworten größer und der Schutz vor einem schweren Verlauf entsprechend effektiver. Zusätzlich zum Spike-Protein werden bei einer Infektion Immunantworten gegen andere Virusproteine gebildet, die gemeinsam mit den Impfantworten den Schutz vor zukünftigen Infektionen weiter erhöhen. Aufgrund der oben genannten Mechanismen stellen drei Impfungen den sichersten Schutz vor schweren Krankheitsverläufen dar. Jedoch kann aus immunologischer Sicht auch eine SARS-CoV-2-Infektion eine Immunisierung hervorrufen, die eine der drei Impfungen ersetzen kann. Hierbei stellt die Reihenfolge erst Impfung, dann Infektion die bevorzugte Option dar. Nach drei Immunisierungsschritten kann auf der Basis der Immungedächtnisbildung [8,9] nach derzeitigem Erkenntnisstand von einer langanhaltenden Immunität ausgegangen werden, die im Falle einer Infektion mit einer der aktuellen Varianten einen Schutz vor schwerer Erkrankung vermittelt.
Da für alle Altersgruppen ab 12 Jahren eine dritte Impfung von der STIKO empfohlen wurde [10], gilt unser Vorschlag entsprechend für diese Altersgruppe. Zudem empfiehlt die DGfI dringend den Ausbau der Impfangebote für Kinder und Jugendliche!
Aufgrund momentan noch unzureichender Daten zur Wirksamkeit einer 4. Impfung – insbesondere mit an Varianten angepassten Impfstoffen – sieht die DGfI zum jetzigen Zeitpunkt davon ab, zu weiteren Booster-Impfungen Stellung zu nehmen. Zur Verbesserung der Datenlage zur SARS-CoV-2-Immunität zum nächsten Herbst ist es jedoch wichtig, rechtzeitig im Sommer umfassende Kohorten Studien zur Bestimmung der Virus-neutralisierenden Antikörper durchzuführen. Dies ist insbesondere bei den über 60-Jährigen und den bekannten Risikogruppen von erheblicher Bedeutung.