Im Fokus der Forschenden standen die fünf wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale in der Psychologie, die sogenannten Big Five. Diese fünf Dimensionen beschreiben Unterschiede in der menschlichen Persönlichkeit in einer sehr globalen Art und Weise. Sie umfassen Offenheit (wie aufgeschlossen gegenüber neuen Ideen, Erfahrungen und Werten beschreibt sich eine Person), Gewissenhaftigkeit (wie zuverlässig, pünktlich, ehrgeizig, und organisiert schätze ich mich ein), Extraversion (gibt Hinweise, wie gesellig, durchsetzungsfähig, abenteuerlustig, fröhlich sich jemand beschreibt), Verträglichkeit (wie angenehm, zuvorkommend, unterstützend und hilfsbereit stellt sich eine Person dar) und Emotionale Stabilität (wie selbstsicher, selbstbeherrschend und unbekümmert schätzt sich eine Person ein).

Der Algorithmus konnte hier tatsächlich automatisiert aus der Kombination der Verhaltensdaten Rückschlüsse auf die meisten Persönlichkeitsmerkmale der Nutzer ziehen. Die Ergebnisse gaben zudem Hinweise darauf, welche digitalen Verhaltensweisen informativ für bestimmte Selbsteinschätzungen der Persönlichkeit sind. Das Kommunikations- und Sozialverhalten auf dem Smartphone gab wichtige Hinweise, wie extravertiert sich jemand einschätzt, Informationen zum Tag-Nacht-Rhythmus der Nutzer waren besonders aussagekräftig hinsichtlich der selbsteingeschätzten Gewissenhaftigkeit. Offenheit konnte nur durch eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Verhaltensdaten vorhergesagt werden.

Für Forscher sind die Ergebnisse von großem Wert, vor allem weil in der Psychologie bislang Persönlichkeitsdiagnostik fast ausschließlich auf Selbstbeschreibungen beruht. Diese zeigen sich zwar für die Vorhersage von beispielsweise beruflichem Erfolg als nützlich. „Dennoch wissen wir gleichzeitig sehr wenig darüber, wie sich Menschen tatsächlich im alltäglichen Leben verhalten – außer das, was sie uns im Fragebogen mitteilen möchten“. sagt Markus Bühner. „Smartphones bieten sich durch ihre Allgegenwärtigkeit, ihre Verbreitung und ihre enorme technische Leistungsfähigkeit als ideale Forschungsgeräte an, um die Selbstschreibungen mit realem Verhalten übereinstimmen.“

Dass seine Forschung auch Begehrlichkeiten bei den großen IT-Firmen wecken könnte, ist Stachl durchaus bewusst. Neben Datenschutz und Schutz der Privatsphäre müsse man daran arbeiten, das Thema künstliche Intelligenz ganzheitlicher zu betrachten, so Stachl. „Der Mensch und nicht die Maschine muss im Mittelpunkt der Forschung stehen. Wir dürfen maschinelle Lernmethoden nicht unreflektiert nutzen.“ Das Potenzial möglicher Anwendungen sei enorm, sowohl in der Wissenschaft wie auch in der Wirtschaft. „Die heutigen Möglichkeiten einer datengetriebenen Gesellschaft können zweifellos das Leben für viele Menschen verbessern, wir müssen aber auch sicherstellen, dass alle Teilnehmer der Gesellschaft von diesen Entwicklungen profitieren können.“

Originalpublikation: Clemens Stachl, Quay Au, Ramona Schoedel, Samuel D. Gosling, Gabriella M. Harari, Daniel Buschek, Sarah Theres Völkel, Tobias Schuwerk, Michelle Oldemeier, Theresa Ullmann, Heinrich Hussmann, Bernd Bischl, and Markus Bühner:
Predicting personality from patterns of behavior collected with smartphones PNAS 2020

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