Eine neue Studie zeigt, dass die Schließung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen in Deutschland während der Corona-Pandemie tatsächlich Auswirkungen auf die Beschäftigung von Eltern hatte, denn die Öffnung der Einrichtungen führte zu einem Wiederanstieg ihrer Arbeitszeit. So arbeiteten Eltern, deren Kinder zumindest teilweise Zugang zu Betreuung bzw. Beschulung in Präsenz hatten, ca. 1,5 bis 2 Stunden pro Woche mehr als Eltern, die teilweise noch vollständig auf Betreuung bzw. Präsenzunterricht verzichten mussten. Dabei stellten die Forschenden keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern fest.
Die Studie wurde gemeinsam vom Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität zu Köln und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg durchgeführt und untersucht die Auswirkungen der Öffnung von Schulen nach dem Lockdown im März und April 2020. Der Erstautor ist Dr. Lukas Fervers, korrespondierende Autorin ist Professorin Dr. Marita Jacob. Außerdem waren Lina Tobler (Uni Köln), Veronika Knize und Bernhard Christoph (beide IAB) an der Studie beteiligt. Der Artikel „Kids back to school – parents back to work? School and daycare opening and parents’ employment in the early phase of the COVID-19 pandemic“ ist im Journal of European Social Policy erschienen.
Die COVID19-Pandemie hat insbesondere im Frühjahr 2020 erhebliche Maßnahmen hervorgerufen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Eine der drastischen Maßnahmen war die vollständige Schließung von Schulen und Kindertagesstätten. Dies hatte zur Folge, dass Eltern gezwungen waren, zu Hause zu bleiben, um sich um ihre Kinder zu kümmern, die aufgrund der Schließungen nicht zur Schule oder in den Kindergarten gehen konnten.
Die Forschenden verglichen in ihrer Studie anhand der unterschiedlichen Schul- und Kinderbetreuungspolitiken der Bundesländer die Arbeitszeit von Eltern, die somit unterschiedlichen Beschränkungen bezüglich der Kinderbetreuung ausgesetzt waren. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob und inwiefern die erneute Öffnung der Einrichtungen eine Entlastung von Eltern darstellten und sie ihre Arbeitszeit wieder erhöhen konnten.
Dabei überprüfte das Forschungsteam zwei gegensätzliche Prämissen. Erstens: die allgemein beobachtete Reduzierung der Arbeitszeit ging tatsächlich (auch) auf die Schulschließungen zurück, da Eltern Betreuungsverpflichtungen wahrnehmen mussten. Zweitens: Wenn Arbeitgeber ohnehin aufgrund des Lockdowns die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten – mit oder ohne Kindern – reduziert bzw. im Zuge der Lockerungen wieder aufgestockt haben, sollten die Öffnung von Schulen und Kindergärten zu keiner zusätzlichen Erhöhung der Arbeitszeit von Eltern führen.
„Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen die erste Prämisse und legen nahe, dass Kinderbetreuungs- und Schulpolitik über andere Pandemieentwicklungen hinaus von Bedeutung zu sein scheinen“, so Professorin Jacob. Eltern, deren Kinder zumindest teilweise Zugang zu Betreuung bzw. Beschulung in Präsenz hatten, arbeiteten ca. 1,5 bis 2 Stunden pro Woche mehr als Eltern, die teilweise noch vollständig auf Betreuung bzw. Präsenzunterricht verzichten mussten. Dieser Effekt ist bereinigt um andere Einflussfaktoren, die womöglich mit der Schulschließung einhergingen.
„Etwas überraschend ist, dass der Öffnungseffekt für Mütter nicht größer ist als für Väter, da Mütter oft einen größeren Anteil der Kinderbetreuungspflichten tragen“, erklärt Dr. Fervers. „Dieser Befund passt jedoch zu früheren Untersuchungen für Deutschland, die feststellen, dass die Arbeitsmarkteffekte der Pandemie für erwerbstätige Frauen und Mütter im Allgemeinen nicht stärker waren als für Männer und Väter.“
Die Studie ist somit eine der ersten, die die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Eindämmungs- und Schließungspolitiken zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 quantifiziert. Die Forschenden betonen, dass bei der Auswahl der Corona-Maßnahmen natürlich gesundheitliche Überlegungen im Vordergrund stehen mussten. Dennoch sollte bedacht werden, wie ein effektiver Gesundheitsschutz mit möglichst geringen Nebenwirkungen erreicht werden kann. Die Studie kann somit als erster Schritt zu einer Grundlage für die Zusammenstellung eines möglichst effektiven und effizienten Maßnahmenpaketes in vergleichbaren Situationen gesehen werden. Für solchen Maßnahmepakete müssen dann selbstverständlich auch die Ergebnisse andere Studien berücksichtigt werden, vor allem zu den Auswirkungen auf Kinder und Heranwachsende.