Gefragt nach den mit den Corona-Maßnahmen verbundenen Grundrechtseinschnitten, zeigten sich annähernd Dreiviertel – das heißt rund 72 Prozent – derjenigen, die an der Befragung teilgenommen haben, unbesorgt. Sie akzeptierten die vorübergehende Einschränkung der Grundrechte als eher oder sogar vollkommen gerechtfertigt. „Das bedeutet allerdings nicht, dass Grundrechtsschutz und Gewaltenteilung in Krisenzeiten keine Rolle spielen“, sagt Rechtswissenschaftler Hanno Kube. So widersprachen gut 46 Prozent der Befragten der Aussage, die Bundesregierung solle zur Pandemie-Eindämmung weitreichende Maßnahmen auch ohne Zustimmung des Bundestages beschließen können – auch wenn mit einem solchen Vorgehen immerhin knapp 43 Prozent einverstanden wären. Zugleich vertraut eine Mehrheit von knapp 55 Prozent darauf, dass Gerichte die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber zu weitreichenden Einschränkungen wirksam schützen.

Deutlich kritischer fiel die Abwägung zwischen gesellschaftlichem Nutzen und wirtschaftlichem Schaden des Lockdown aus. Mehr als die Hälfte der Befragten – rund 52 Prozent – war der Auffassung, dass der Schaden den Nutzen überwiegt. Dies könnte mit der Risikoeinschätzung zusammenhängen: Je geringer jemand die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass sich ein Familienmitglied mit dem Corona-Virus infiziert, desto eher rücken die negativen Folgen für die Wirtschaft in den Vordergrund seiner Bewertung. Auch beim Blick auf künftige Maßnahmen zeigten sich die Teilnehmer der Befragung verhalten: Zwar hatte ein Drittel – rund 32 Prozent – die Corona-Warn-App bereits installiert, aber gut 45 Prozent der Befragten hielten es für eher oder sogar sehr unwahrscheinlich, dies noch zu tun.

Die Heidelberger Wissenschaftler gehen davon aus, dass zumindest diejenigen, die die Nutzung der App aktuell stark ablehnen, auch in Zukunft dabei bleiben werden. Ihr Anteil liegt bei rund 30 Prozent. „Rechnen wir diejenigen hinzu, bei denen die technischen Voraussetzungen fehlen, könnte der Verbreitung der App eine Grenze bei rund 60 Prozent der Bevölkerung gesetzt sein“, erläutert Reimut Zohlnhöfer. Überraschend niedrig scheint auch die Bereitschaft zu sein, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, sollte ein Impfstoff in Zukunft verfügbar sein. Nur knapp 55 Prozent der Befragten gaben an, dies ziemlich oder sehr wahrscheinlich tun zu wollen.

Interessant – insbesondere aus psychologischer Sicht – ist für die Wissenschaftler auch der Zusammenhang zwischen der Akzeptanz und Befolgung von Anti-Corona-Maßnahmen und der Tendenz, an Verschwörungstheorien zu glauben. Je stärker die Verschwörungsmentalität der Befragten ausgeprägt war, desto weniger zufrieden waren sie mit dem Krisenmanagement der Bunderegierung, desto seltener waren sie bereit, die Corona-Warn-App zu installieren oder sich impfen zu lassen, und desto höher schätzten sie auch den wirtschaftlichen Schaden im Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen ein.

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