Minister Reinhold Jost (li) und IKK Südwest-Vorstand Prof. Dr. Jörg Loth mit dem Kooperationsvertrag für ein Ernährungsprojekt in Senioreneinrichtungen. Foto: MUV  

Ziel des sogenannten Nudging-Projektes ist es, niedrigschwellige Anreize in Pflegeeinrichtungen zu schaffen, damit sich deren Bewohner*innen ausgewogener ernähren und ihr Trinkverhalten verbessern, um so langfristig eine Mangelernährung zu vermeiden. Einseitige oder nicht ausreichende Ernährung bei älteren Menschen, die zu teils schwerwiegenden Erkrankungen führen kann, ist dabei gerade auch im Saarland eine ernstzunehmende Herausforderung, dem sich Verbraucherschutzministerium und regionale Krankenkasse damit annehmen wollen: Eine aktuelle Auswertung der IKK Südwest zeigt, dass sich in der Altersgruppe der Saarländer*innen über 65 Jahren ärztliche Diagnosen, die in Zusammenhang mit Mangelernährung stehen, seit dem Jahr 2014 mehr als verdoppelt haben.

Minister Reinhold Jost
Foto: Becker und Bredel / www.saarland.de

Das Projekt hat zum Ziel, die Ernährungssituation Pflegebedürftiger in stationären Senioreneinrichtungen zu verbessern. Das Einrichtungsumfeld wird dabei durch Nudges („Anstupser“) so gestaltet, dass ältere Menschen motiviert werden, mehr Obst und Gemüse zu essen und häufiger zu trinken. „Wir wissen aus der Verhaltensforschung, dass man mit Hilfe kleiner Kniffe und Tricks Menschen jeden Alters dazu animieren kann, sich gesünder zu ernähren. Viele greifen bereits dann öfter zu vitaminreicher Kost, wenn diese ansprechender präsentiert wird oder leichter zu erreichen ist. So können beispielsweise Laufwege so angelegt werden, dass gesundheitsförderliche Nahrungsmittel direkt ins Blickfeld geraten. Diese Erkenntnisse wollen wir für unser Projekt nutzen“, so Verbraucherschutzminister Reinhold Jost.

Betreut werden vorab ausgewählte Einrichtungen während einer 6-monatigen Praxisphase durch Mentoren, die durch das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz speziell fortgebildet werden und so gemeinsam mit den Einrichtungen individuelle und bedarfsgerechte Handlungsweisen entwickeln können. „Fehl- oder Mangelernährung ist offensichtlich im Saarland auch im Alter ein Problem, das allerdings immer noch oft nicht erkannt oder nur zu wenig Beachtung findet“, so IKK Südwest Vorstand Prof. Dr. Jörg Loth mit Blick auf gestiegene, entsprechende ärztliche Diagnosezahlen bei älteren Menschen im Saarland[1]. „Oft werden Diagnosen auch zu inkonsequent weiter verfolgt und behandelt, womit gerade bei älteren chronisch kranken Menschen häufig schwere gesundheitliche Folgen verbunden sein können“, so Loth.

Hinzu kommt, dass der Umzug in eine stationäre Einrichtung für viele ältere Menschen oftmals ein einschneidendes Erlebnis ist. Als Reaktion auf die neue Umgebung, fremde Menschen und ein ungewohntes Speiseangebot tritt oft Appetitlosigkeit auf. „Insofern ist es ein Irrglaube, dass Gesundheitsförderung im hohen Alter wertlos ist. Im Gegenteil: auch eine gesundheitsförderliche Ernährung ist für ältere Menschen oft genau so wichtig wie die Tabletten, die sie bekommen. Zusätzlich zu den zahlreichen vorbildlichen Ernährungskonzepten der Einrichtungen im Saarland wollen wir ergänzend mit kleinen, liebevollen Anstößen das individuelle Ernährungsverhalten älterer Menschen fördern, sie in ihrer Selbständigkeit unterstützen und damit den Gesundheitszustand in den Altenheimen weiter verbessern,“ fasst Prof. Dr. Loth die Motivation der IKK Südwest rund um das saarlandweit in dieser Form bisher einzigartige Projekt zusammen. „Ich freue mich, dass wir als regionale Krankenkasse mit dieser Kooperationsvereinbarung und einem starken Partner einen Beitrag zur Seniorengesundheit im Saarland leisten können.“

Minister Jost betont: „Wir wollen die Seniorinnen und Senioren weder gängeln noch bevormunden. Essen muss mit individueller Freude und Genuss verbunden sein und bleiben. Wir wollen aber Hinweise geben, wollen mit kleinen Anstupsern – um beim Fachbegriff zu bleiben – gesundes Essverhalten fördern. Ich bin schon jetzt auf die erste Projektauswertung gespannt.“ Das Praxisprojekt richtet sich an (innovative) stationäre Senioreneinrichtungen, die sich für das Thema Nudging interessieren und bereit sind, Zeit und Arbeit in das Praxisprojekt zu investieren. Das Auswahlverfahren startet ab dem 01. Oktober 2020, die Umsetzung soll voraussichtlich im 1. Quartal 2021 starten. Vorerst werden in einem Modellvorhaben bis zu sechs stationäre Senioreneinrichtungen im Saarland betreut.

Als Grundlage für die „Nudges“ dient der DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in stationären Senioreneinrichtungen. Das Projekt wurde von der Vernetzungsstelle Seniorenernährung (VNS SenE) des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz entwickelt, von der IKK Südwest gefördert und gemeinschaftlich koordiniert und wird von geschulten Nudging-Mentorinnen und -Mentoren in den Einrichtungen durchgeführt werden. Die Vernetzungsstelle wird vom Bund im Rahmen von „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ gefördert.

Mit steigendem Alter nimmt der Anteil der mangelernährten Seniorinnen und Senioren zu. Die ErnSTES-Studie (Ernährung in Stationären Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren) aus dem Jahr 2008 zeigt, dass etwas weniger als zwei Drittel der untersuchten Seniorinnen und Senioren (n = 773) mangelernährt sind oder ein Risiko für eine Mangelernährung aufwiesen.

 

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