Jan Schneider, Nicole Kasparek, Dr. Georg Breitner, Carsten Barkow, Dr. Constanze Höpken und Michael Ecker nehmen die Bruchstücke in Augenschein (v. l.). - Foto: Sandra Brettar
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Die Projektpartner von „DigiGlue“ – dahinter stehen das Landesdenkmalamt Saarland, die MusterFabrik Berlin GmbH, das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK und der Europäische Kulturpark Bliesbruck-Reinheim – haben sich kürzlich zu einem Workshop im Kulturpark getroffen, um sich über Projektstand und -entwicklung intensiv auszutauschen.

Es nahmen daran teil: Dr. Georg Breitner (Leiter des Landesdenkmalamtes Saarland), Dr. Constanze Höpken (Landesdenkmalamt, Gebietsreferentin und wissenschaftliche Projektleiterin) Nicole Kasparek (Landesdenkmalamt, Restauratorin), Jan Schneider (MusterFabrik Berlin GmbH, Entwicklungsleiter), Carsten Barkow (MusterFabrik Berlin GmbH, Software-Entwickler) und Michael Ecker (Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim, Archäologe und Grabungsleiter).

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„Trotz der widrigen Umstände durch das Corona-Virus sind wir in regelmäßigem Kontakt geblieben, und wir konnten unsere jeweils unterschiedlichen Aufgaben in diesem Projekt weiter ausarbeiten. Es freut mich sehr, dass die Projektpartner jetzt eine neue Gelegenheit zu einem Treffen am Ort des Geschehens nutzen, um „DigiGlue“ voranzubringen“, betonte Dr. Georg Breitner.

Die erste Gelegenheit gab es bei der Präsentation von „DigiGlue“ im Dezember des vergangenen Jahres im Kulturpark, wobei die Projektzielsetzung aufhorchen ließ: die Digitalisierung, Visualisierung und automatisierte Rekonstruktion von quasi-mehrdimensionalem (2,5-D) Kulturgut. Das klang schon sehr innovativ, was es auch ist. Denn es geht um die Weiterentwicklung einer weltweit neuartigen Technologie, die bei der so genannten 2,5-D-Verarbeitung von Materialien eingesetzt werden kann. Sie wird nun am Beispiel von römischer Wandmalerei, die bei Grabungen im Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim im Jahr 2012 entdeckt wurde, fortgeschrieben. Grabungsleiter Michael Ecker ordnet die Wandmalerei dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus zu. Mit Hilfe der neuen Technologie sollen tausende Fragmente, worauf verschiedene Farben und Motive wie Pflanzen oder Personen teilweise zu erkennen sind, wieder digital zusammengesetzt werden.

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Das Landesdenkmalamt des Saarlandes hat hierfür im Herbst 2019 einen Entwicklungsauftrag an die MusterFabrik Berlin vergeben, die 2015 ein Laborsystem eines 2,5-D-Scanners sowie ein prototypisches IT-gestütztes Rekonstruktionsassistenzsystem für beschädigtes Kulturgut entwickelt hatte. Als Referenzmaterial dienten abgeschlagene Glasmosaik-Fragmente aus der ehemaligen Kapelle der Erbbegräbnisstätte Buchholz in Bredereiche, Fürstenberg/Havel.

Jan Schneider erklärte hierzu während des Treffens: „Die beiden Kernmodule sind vorhanden. Wir spezifizieren aktuell das Verfahren mit jenen Anforderungen, die zur Digitalisierung und Repositionierung der 2,5-D-Wandputz-Fragmente erforderlich sind. Endnutzer sind die Archäologen und Restauratoren im Kulturpark, denen es obliegt, den verschiedenartig bemalten, römischen Wandputz digital zu rekonstruieren.“

Der Name „DigiGlue“ (frei übersetzt: „digitaler Klebstoff“) kommt also nicht von ungefähr. Die eingescannten, neu gewonnenen Digitalisate sollen beispielsweise gedreht, geschoben, gezoomt oder eben durch manuelles Verbinden digital verklebt werden können. Michael Ecker konkretisierte: „Wir werden in der Lage sein, mit Hilfe dieses High-Tech Systems digitale Zwillinge der einzelnen Fragmente zu erstellen, um sie dann wie ein Puzzle zu behandeln. Das System erlaubt uns auch, Informationen aus den Einzelteilen zu generieren, und wir können in vielfältiger Weise mit diesen arbeiten. Am Ende haben wir wieder eine Wand, die Rückschlüsse u. a. auf die Raumgröße zulässt, so dass schließlich der Raum wieder virtuell begehbar wird“, freut sich der Archäologe, der gerne auf den enormen Benefit dieser Arbeit für die Erforschung und Bewahrung des kulturellen Erbes hinweist.

Hinzu kommt, dass Besucherinnen und Besucher des Parks das wissenschaftliche Arbeiten live mitverfolgen können. Auch dieses Ziel wurde von Beginn an formuliert. Standort der Digitalisierungseinheit mit einer Höhe von etwa zweieinhalb Metern soll die römische Taverne sein, wie Michael Ecker im Rahmen des Workshops vorschlug. Der frei zugängliche Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss der Taverne überzeugte auch die weiteren Projektpartner. Natürlich war es für die beiden Gäste aus Berlin besonders spannend, die zahlreichen Wand-Fragmente unterschiedlicher Größe, die in einem Depot auf französischer Seite gelagert sind, genau unter die Lupe zu nehmen. Auch hieraus ergaben sich wichtige Erkenntnisse für das zu entwickelnde Gesamtsystem.

„Wir verstehen das Projekt als Entwicklungsarbeit, denn die Ergebnisse sollen auch für Folgeprojekte effizient genutzt werden können. Wir als Landesdenkmalamt sind sehr glücklich darüber, dass wir in diesem Umfeld zu einer weitreichenden Lösung zur automatisierten und zerstörungsfreien Bearbeitung von Kulturgut beitragen können. Das zählt heutzutage sicher nicht zu unserem Alltagsgeschäft“, so Dr. Breitner abschließend.
Für die Umsetzung des Vorhabens werden Gesamtkosten in Höhe von rund 293000 Euro veranschlagt, finanziert durch Sondermittel der Saarland-Sporttoto GmbH (250000 Euro) und Eigenmittel des Landesdenkmalamtes.

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