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Nicht erst durch die zunehmende Nutzung von Homeoffices durch die Corona-Pandemie, sondern auch als Konsequenz der Globalisierung findet Zusammenarbeit zunehmend virtuell statt. Wie sich diese Kooperationsform auf das Verantwortungsbewusstsein von Führungskräften gegenüber ihren Teams auswirkt, haben aktuelle Studien des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) in Tübingen untersucht.

Macht korrumpiert – soweit das Klischee. Die Realität zeigt jedoch, dass oft gerade Führungskräfte die Konsequenzen ihres Handelns für andere mit bedenken und sich ihrer Verantwortung gegen-über Mitarbeitenden sehr bewusst sind. Ein Bewusstsein, das sich positiv auf die Zusammenarbeit und auf die Teammitglieder selbst auswirkt. Welche Voraussetzungen diesen positiven Effekt bei Personen in Führungsrollen befördern und wie sich Remote Work kurzfristig auf deren Verantwortungsgefühl auswirken, haben Forscherinnen und Forscher rund um PD Dr. Annika Scholl in der Arbeitsgruppe Soziale Prozesse am Tübinger Leibniz-Institut für Wissensmedien untersucht.

Dabei zeigte sich: Personen in einer Führungsrolle empfinden vor einem persönlichen Mitarbeitergespräch ein stärkeres Verantwortungsgefühl als vor einem virtuellen Austausch, etwa per Videocall. Dieses Ergebnis konnte eine weitere Studie mit Studierenden bestätigen. „Virtuelle Zusammenarbeit könnte bewirken, dass andere Personen weiter entfernt erscheinen – und deshalb kurzfristig weniger der Eindruck entsteht, sich um diese Personen kümmern zu müssen“, erläutert Dr. Annika Scholl. „Das muss nicht nur die räumliche Entfernung betreffen, es könnte dabei auch um die subjektive Wahrnehmung von Nähe gehen. Offen bleibt für uns die Frage, wie sich diese Effekte entwickeln, wenn Personen mehr Erfahrung mit virtueller Zusammenarbeit gesammelt haben.“ Dr. Annika Scholl: „Offen bleibt für uns die Frage, wie sich diese Effekte entwickeln, wenn Personen mehr Erfahrung mit virtueller Zusammenarbeit gesammelt haben.“

In weiteren Studien konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerdem zeigen, dass Führungskräfte dann mehr Verantwortung erleben, wenn sie vor wichtigen Entscheidungen ihre Aufmerksamkeit auf andere Personen statt auf sich selbst richten. Ein weiterer Faktor für das Verantwortungsgefühl in der Führung ist das Maß der jeweiligen Identifikation mit dem Team. Aktuell arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an weiteren Studien zu diesen Fragestellungen.

In einer von zwei Studien wurden 181 Mitarbeitende unterschiedlicher Arbeitsbereiche in einer online-Umfrage gebeten, sich in die Positionen einer Führungs- bzw. einer Assistenzkraft hineinzuversetzen. Als Führungskraft stellten sie sich vor, mit der jeweiligen Assistenz gemeinsam Aufgaben zu bearbeiten (analog als Assistenz gemeinsam mit ihrer Führungskraft). Diese Zusammenarbeit sollte für einen Teil der Teilnehmenden virtuell – d.h. über Telefon, Videocall etc. – erfolgen, für den anderen Teil der Teilnehmenden wurde eine Zusammenarbeit face-to-face (d.h. durch persönliche Treffen vor Ort) angekündigt. Anschließend gaben die Teilnehmenden an, wie sie sich in ihrer Rolle fühlen; insbesondere, wie viel Verantwortung sie für den/die andere/n in der Zusammenarbeit wahr-nahmen – also z.B. den Eindruck hatten, sich um die Situation anderer kümmern zu müssen oder inwieweit sie darüber nachdachten, welche Konsequenzen ihr Handeln für andere haben würde. Es zeigte sich: Personen nahmen besonders dann Verantwortung wahr, wenn sie eine Position als Führungskraft (statt als Assistentin oder Assistent) erhielten und persönliche (statt virtuelle) Zusammenarbeit erwarteten.

Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erforscht, wie digitale Medien Wissens- und Kommunikationsprozesse beeinflussen und wie neue Technologien eingesetzt werden können, um diese Prozesse zu verbessern. Die grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung rückt neben institutionellen Lernfeldern wie Schule und Hochschule auch informelles Lernen im Internet, am Arbeitsplatz oder im Museum in den Fokus. Am IWM arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammen, vor allem aus der Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Neurowissenschaft und Informatik. Das 2001 gegründete außeruniversitäre Forschungsinstitut ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

Originalpublikation: www.sciencedirect.com

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