Homburg1: Hallo Herr Russo. Sie sind dieses Jahr 50 geworden. Was bedeutet das für Sie?
Serafino Russo: 50 Jahre – das ist natürlich einiges an Lebenserfahrung und eine Menge Erlebnisse. Ich habe eine Familie, zwei Kinder, bin seit knapp 20 Jahren verheiratet und selbstständig. Dazu kommen die Herausforderungen und Veränderungen, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, wie Corona und die politischen Entwicklungen in Europa. Das alles hat uns geprägt, und jetzt sind wir 50. Ich bin dankbar, dass wir gesund sind und dass die Familie zusammenhält. Es ist viel passiert in dieser Zeit, und ich sehe 50 als eine Art Meilenstein, der mir zeigt, wie weit ich gekommen bin, sowohl persönlich als auch beruflich.
Homburg1: Rückblickend, würden Sie sagen, Sie haben alles erreicht, was Sie sich vorgenommen haben? Oder gibt es noch Träume oder Ziele von früher, die Sie begleiten?
Serafino Russo: Also, grundsätzlich bin ich nicht der große Planer – wer mich kennt, weiß das. Ich bin eher ein spontaner, kreativer Typ. Ich sehe mich selbst als eine „alte Nummer 10“ auf dem Fußballplatz – kreativ, flexibel und nicht so sehr an Regeln gebunden. So habe ich auch mein Leben gestaltet. Wenn ich heute zurückblicke, sehe ich, was ich erreicht habe: meine Familie, meine Kinder, das Geschäft, das ich aufgebaut habe. Manchmal denke ich auch an Menschen, die leider nicht mehr da sind, die schon gegangen sind. Das gehört dazu, wenn man älter wird. Aber ich bin nicht der Typ, der sich einen Fünf- oder Zehn-Jahres-Plan macht und sich daran klammert. Das würde nicht zu mir passen und ist auch nicht meine Art, das Leben anzugehen. Ich bin eher jemand, der in der Gegenwart lebt und sich treiben lässt, auch wenn das bedeutet, dass ich manchmal Umwege gehe.
Homburg1: 50 Jahre, das klingt für viele wie ein neues 30. Würden Sie das auch so sehen, oder merken Sie das Alter doch?
Serafino Russo: Also, man sagt ja, man ist so alt, wie man sich fühlt. Und ich fühle mich oft jung, keine Frage. Aber wenn ich intensiven Sport mache, lange arbeite oder auf Reisen bin, dann merke ich doch, wie alt ich bin. Ich achte auf meine Gesundheit, mache viel Sport, ernähre mich bewusst – aber trotzdem spüre ich manchmal, dass ich etwas kürzertreten sollte. Es sind die Erholungsphasen, die länger dauern, und auch die kleinen Wehwehchen, die früher schneller verschwunden sind, sind jetzt manchmal hartnäckiger. Da würde ich nicht sagen, dass 50 das neue 30 ist. Manchmal denkt man das vielleicht, weil man im Flow ist und sich gut fühlt, aber am Ende ist man eben so alt, wie man ist. Es ist ein bisschen wie ein Oldtimer: Der kann noch so gut aussehen, frisch lackiert und glänzend – aber wenn man ihn ständig im roten Bereich fährt, merkt man das Alter trotzdem irgendwann.
Homburg1: Neben der Arbeit ist Ihnen die Familie sehr wichtig. Was bedeutet Familie für Sie, und wie hat sich Ihre Perspektive darauf im Laufe der Jahre entwickelt?
Serafino Russo: Familie ist für mich ein fester Anker. Wenn man eine Familie gründet, muss man erstmal lernen, dass es nicht nur um einen selbst geht. Ich bin ein kreativer Mensch, sehr zielstrebig, und da war es anfangs eine Herausforderung, diese Energie auch auf die Familie zu fokussieren. Aber heute ist das etwas, was ich sehr schätze. Es ist ein gutes Gefühl, nach Hause zu kommen und zu wissen, dass da jemand ist. Die Kinder wachsen heran, und meine Frau, die mich seit so vielen Jahren begleitet, ist immer noch an meiner Seite. In der Selbstständigkeit spielt man viele Rollen – man ist Ehemann, Vater und Unternehmer, und jede Rolle hat ihre eigenen Anforderungen. Ich nehme mir auch gerne Zeit für mich selbst, für Sport und Hobbys, aber die Balance zu halten, das ist manchmal eine Herausforderung. Es ist wichtig, jedem gerecht zu werden, besonders der Familie.
Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass die Familie ein Ort ist, an dem ich so sein kann, wie ich bin, ohne immer die Rolle des Antreibers oder Entertainers zu spielen. Ich habe in meinem Beruf und auch in der Freizeit oft die Rolle desjenigen, der die Energie gibt und alle mitzieht. Das macht Spaß, aber es ist auch anstrengend, besonders jetzt, wo ich merke, dass es mich manchmal mehr Kraft kostet. Die Familie ist mein Rückzugsort, wo ich authentisch sein kann.
Homburg1: Neben Ihrer Arbeit und der Familie haben Sie auch viele persönliche Interessen, vor allem im Sport. Was bedeutet Sport für Sie?
Serafino Russo: Sport ist definitiv eine große Leidenschaft von mir. Sei es Fußball, Tennis oder andere Aktivitäten – Sport ist für mich eine Möglichkeit, mich selbst herauszufordern und an meine Grenzen zu gehen. Ich liebe es, meinen Körper auszutesten, manchmal auch bis in den roten Bereich. Manchmal denke ich auch darüber nach, mal wieder einen Halbmarathon oder sogar einen Marathon zu laufen. Es geht mir dabei nicht nur um die körperliche Herausforderung, sondern auch um das Zusammenspiel zwischen Körper und Geist. Wie weit kann ich mich pushen? Das finde ich spannend.
In meiner Freizeit mache ich viel Sport, und jetzt bilde ich mich auch weiter als Trainer. Ich mache die UEFA-B-Lizenz und freue mich darauf, mein Wissen weiterzugeben. Früher habe ich das etwas zurückgestellt, weil die Existenzgründung und die Familie viel Zeit beansprucht haben. Jetzt ist das eine Leidenschaft, die ich wiederentdecke, und ich finde es schön, wieder mehr Zeit dafür zu haben.
Homburg1: Die Trainerrolle ist also eine neue Leidenschaft für Sie. Wie ist hier der Unterschied im Vergleich zum aktiven Sport?
Serafino Russo: Die Trainerrolle ist tatsächlich etwas, das ich schon früher als Spielertrainer ausgeübt habe. Aber jetzt, durch meinen Sohn, der auch Fußball spielt, bin ich wieder nah am Fußball dran und habe richtig Lust, mein theoretisches Wissen einzubringen. Die Trainerrolle ist ganz anders, als selbst auf dem Platz zu stehen. Es geht weniger um einen selbst und mehr darum, die Spieler zu fördern und zu unterstützen. Man lernt, auf jeden Einzelnen einzugehen, auf ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten und Hintergründe. Man muss sich fragen: Wo liegen die Stärken und Schwächen? Welche Motivation hat jeder einzelne Spieler? Diese Aspekte haben mich gepackt, und ich finde es spannend, aus der Perspektive eines Trainers zu arbeiten.
Homburg1: Hat Sie das Trainersein auch persönlich verändert?
Serafino Russo: Ja, absolut. Im Fußball braucht man ein Team, das zusammenhält, ähnlich wie in der Gastronomie – man schafft es nicht allein. Als Friseur konnte ich lange Zeit auf mich selbst zählen, aber das Trainersein hat mir gezeigt, dass ich auch lernen muss, auf andere einzugehen und weniger egozentrisch zu sein. Es ist eine schöne Entwicklung, die mir auch in anderen Bereichen hilft. Sie lernen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und ihre individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Das ist eine wichtige Erfahrung, die mich auch als Mensch weitergebracht hat.
Homburg1: Sie haben in Ihrem Leben viele Entscheidungen getroffen, privat und beruflich. Gibt es Entscheidungen, die Sie als besonders gut bezeichnen würden, und gibt es welche, die Sie vielleicht bereuen?
Serafino Russo: Eine der besten Entscheidungen war sicher meine Ehe und die Familie. Das gibt mir Stabilität und hat mich als Person geerdet. Beruflich war der Schritt in die Selbstständigkeit und der Kauf meines eigenen Salons eine große Entscheidung. Rückblickend wünschte ich, ich hätte früher mehr auf die Meinungen und Ratschläge anderer gehört. Gerade im Umgang mit Mitarbeitern hätte ich vielleicht etwas mehr Geduld zeigen können. Ich war oft sehr auf mein eigenes Ding fokussiert und hätte früher in die Trainerausbildung gehen können, um zu lernen, wie man mit Menschen besser umgeht. Aber insgesamt bin ich zufrieden mit meinen Entscheidungen und der Richtung, die mein Leben genommen hat.
Homburg1: Zum Abschluss – wie definieren Sie Erfolg, und was bedeutet Glück für Sie?
Serafino Russo: Erfolg ist für mich mehr als nur Geld. Glück ist oft eine Momentaufnahme, ein Gefühl, das sich schwer festhalten lässt. Manchmal erreicht man ein Ziel und merkt später, dass es einen gar nicht so glücklich macht, wie man dachte. Für mich bedeutet Glück, bei meiner Familie zu sein, in dem Wissen, dass wir alle gesund sind. Das gibt mir Zufriedenheit und das Gefühl, dass es mir gut geht. Diese Perspektive wächst mit dem Alter. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass es viele Menschen gibt, denen es schlechter geht und die weniger haben. Glück und Zufriedenheit finde ich heute vor allem in den kleinen Momenten und in der Zeit mit meiner Familie.
Homburg1: Vielen Dank für Ihre Zeit und wir wünschen Ihnen und der Familie alles Gute!
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Das Interview für Homburg1 führte Stephan Bonaventura.