Symbolbild

Schon früh in der Pandemie gab es in der Öffentlichkeit Debatten darüber, ob und wie sich das Zeitempfinden durch die pandemische Situation verändert hat. Bald folgten Studien aus aller Welt, die zumeist übereinstimmend berichteten, dass die jeweiligen Probanden das Zeitempfinden als verlangsamt empfänden.

Allerdings ist es auch in nicht-pandemischen Zeiten durchaus normal, dass Menschen das Zeitvergehen als zu schnell oder zu langsam empfinden – in allen Studien, die langfristiges Zeitempfinden untersucht haben, ist es lediglich eine kleine Minderheit, die sagen das Zeitempfinden fühle sich weder besonders schnell noch langsam an. Alle bisherigen Studien konnten jedoch auf keine Vergleichsdaten aus der vorpandemischen Situation zurückgreifen.

Dr. Ferdinand Kosak, ehemaliger Mitarbeiter am Lehrstuhl für pädagogische Psychologie, hatte eben solche Daten. Gemeinsam mit seiner Kollegin Iris Schelhorn und dem Freiburger Zeitforscher Marc Wittmann hat er daher eine Studie durchgeführt, in der – mit den exakt gleichen Erhebungsmethoden wie schon vor der Pandemie – das Zeitvergehen während der Pandemie erhoben wurde. Tatsächlich zeigte sich dabei das prognostizierte Muster: die 500 Personen, die das Zeitvergehen für das letzte Jahr während der Pandemie beurteilt haben, berichteten im Mittel ein subjektiv deutlich langsameres Zeitvergehen, als die 755 Personen, deren Daten vor der Pandemie erhoben wurden.

Überraschendes zeigt sich dabei bei den möglichen Erklärungsansätzen. Denn während das Zustandekommen dieses Erlebens häufig primär auf das Level an Routine und der damit verbundenen Anzahl an Erlebnissen und Erinnerungen zurückgeführt wird, finden die drei Autor:innen hierfür kaum Evidenz. Stattdessen ist das berichtete Zeitvergehen vor allem mit Emotionen verknüpft, d.h. je mehr negative Emotionen und je weniger soziale Zufriedenheit die Proband:innen für das pandemische Geschehen berichten, desto langsamer kam ihnen diese Zeit auch vor.

Die Studie ist bei der international renommierten Online-Fechzeitschrift „PLoS One“ erschienen und ist uneingeschränkt öffentlich zugänglich.

Originalpublikation: Kosak, F., Schelhorn, I., Wittmann, M., (2022) The Subjective Experience of Time during the Pandemic in Germany: the big Slowdown. Plos One (doi: 10.1371/journal.pone.0267709)
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0267709

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