„Paare, die sich so verhalten, handeln individuell unter dem Druck der Krisensituation kurzfristig oft rational. Sie sehen ja derzeit keine Alternative“, sagt Soziologin Kohlrausch. Die Forscherinnen warnen aber vor langfristigen Gefahren für die Erwerbsverläufe von Frauen. Da die ökonomischen Folgen der Krise noch länger spürbar sein werden, könnte eine Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit unter Umständen nicht möglich sein. Somit drohten auf längere Sicht drastische Folgen für das Erwerbseinkommen von Frauen: Die bestehende Lohnlücke zwischen den Geschlechtern dürfte sich dann durch die Coronakrise noch weiter vergrößern.
Aus den Daten lasse sich ableiten, dass Eltern mit geringerem Einkommen von der Krise noch stärker betroffen sind. Denn erstens müssen sie ihre Arbeitszeit häufiger reduzieren, um sich um ihre Kinder zu kümmern (Grafik 2, Werte jeweils für Frauen und Männer zusammengenommen). Die Forscherinnen führen das unter anderem darauf zurück, dass Geringverdienende seltener die Gelegenheit haben dürften, im Homeoffice zu arbeiten. Zweitens ist bei Beschäftigten mit kleineren oder mittleren Einkommen Kurzarbeit häufiger (z.B. gut 17 Prozent in Kurzarbeit bei Befragten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen unter 1300 Euro) als bei jenen, die relativ viel verdienen (knapp zehn Prozent bei einem Haushaltsnetto von mindestens 4500 Euro Prozent). Damit müssten insbesondere jene Haushalte finanzielle Einbußen hinnehmen, die davor schon am unteren Ende der Einkommensverteilung lagen. Das heißt: Die Ausfälle von Schulen und Kitas könnten bestehende Einkommensungleichheiten weiter verstärken.
Bei der Arbeitsteilung innerhalb von Partnerschaften komme es oft tendenziell zu einer „Retraditionalisierung“, stellen Kohlrausch und Zucco fest. Auch wenn sich die Angaben von Männern und Frauen geringfügig unterscheiden, werde deutlich, dass die zusätzlich anfallende Sorgearbeit auch in Familien mit einer vormals gleichberechtigten Verteilung unbezahlter Arbeit nun vor allem die Frauen übernehmen (siehe Grafik 3). Nur rund 60 Prozent derjenigen Paare mit Kindern unter 14 Jahren, die sich die Sorgearbeit vor der Coronakrise fair geteilt haben, tun dies auch während der Krise. Bei den übrigen übernehmen in knapp 30 Prozent der Fälle die Frauen und in gut 10 Prozent der Fälle die Männer den Hauptteil der Sorgearbeit. Bei Paaren mit einem Haushaltsnettoeinkommen unter 2000 Euro und zuvor ausgeglichener Arbeitsteilung praktizieren aktuell sogar nur 48 Prozent weiterhin dieses Modell. Das zeige, dass Eltern, die finanziell stark unter Druck stehen, weniger Spielräume für eine faire Arbeitsteilung bleiben.
Dieser Befund sei auch insofern besorgniserregend, als viele Beschäftigte ihre finanzielle Situation zurzeit als prekär wahrnehmen, erklären die WSI-Forscherinnen. Das gelte insbesondere bei Kurzarbeit, die zwar Beschäftigung sichert aber für die Betroffenen oft mit harten finanziellen Einbußen verbunden ist. Unabhängig von ihrer aktuellen Arbeitssituation schätzen etwa 32 Prozent aller Befragten, bei Kurzarbeit Null mit dem zum Zeitpunkt der Befragung gesetzlich vorgesehenen Kurzarbeitergeld von maximal 67 Prozent ohne Aufstockung höchstens drei Monate auskommen zu können. „Das zeigt, dass die von der Bundesregierung beschlossene Aufstockung des Kurzarbeitergeldes bei längerem Bezug ein Fortschritt ist“, sagt Kohlrausch. „Allerdings ist fraglich, ob dieser Schritt insbesondere im Niedriglohnbereich ausreicht.“