Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Februar 2023 um 10,8 % gegenüber dem Vormonat gestiegen.

Im Januar 2023 war sie hingegen noch um 3,2 % gegenüber Dezember 2022 gesunken. Bei den Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen annähernd drei Monate davor. Die Insolvenzstatistik bildet nur Geschäftsaufgaben ab, die im Zuge eines Insolvenzverfahrens ablaufen, nicht jedoch solche aus anderen Gründen beziehungsweise vor Eintritt akuter Zahlungsschwierigkeiten. Diese und weitere Hinweise sind bei der Interpretation der Insolvenzstatistiken zu beachten.

4,3 % mehr Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2022 als im Vorjahr

Im Jahr 2022 haben die deutschen Amtsgerichte nach endgültigen Ergebnissen 14 590 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das bedeutet einen Anstieg um 4,3 % gegenüber dem Vorjahr, in dem der niedrigste Wert seit Einführung der Insolvenzordnung 1999 registriert wurde (13 933 Fälle). Hierbei ist zu beachten, dass von März 2020 bis Mai 2021 die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen infolge der Corona-Pandemie ganz oder teilweise ausgesetzt war. Einen Anstieg im Vorjahresvergleich hatte es zuletzt während der Finanzmarktkrise im Jahr 2009 gegeben (+11,6 % gegenüber 2008). Seitdem ging die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahresvergleich stets zurück.

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus den im Jahr 2022 gemeldeten Unternehmensinsolvenzen bezifferten die Amtsgerichte auf rund 14,8 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 hatten die Forderungen bei rund 48,3 Milliarden Euro gelegen. Dieser Rückgang der Forderungen bei gleichzeitigem Anstieg der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2021 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz betragt haben als im Jahr 2022.

Baugewerbe mit den meisten Insolvenzen 

Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es im Jahr 2022 im Baugewerbe mit 2 698 Fällen (Jahr 2021: 2 423; +11,3 %). Es folgte der Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) mit 2 239 Verfahren (Jahr 2021: 2 122; +5,5 %).

16,6 % weniger Verbraucherinsolvenzen im Jahr 2022 als im Vorjahr

Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist im Jahr 2022 um 16,6 % gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die Entwicklung der Verbraucherinsolvenzen ist seit Mitte 2020 im Zusammenhang mit einem Gesetz zur schrittweisen Verkürzung von Restschuldbefreiungsverfahren von sechs auf drei Jahre zu betrachten. Die Neuregelung gilt für seit dem 1. Oktober 2020 beantragte Verbraucherinsolvenzverfahren. Sie ermöglicht den Betroffenen einen schnelleren wirtschaftlichen Neuanfang im Anschluss an ein Insolvenzverfahren. Daher ist davon auszugehen, dass viele überschuldete Privatpersonen ihren Insolvenzantrag zunächst zurückhielten, um von der Neuregelung zu profitieren. Dieser Nachholeffekt sorgte ab Anfang 2021 für einen starken Anstieg der Verbraucherinsolvenzen und scheint inzwischen beendet.

Die vorläufigen monatlichen Angaben zu Regelinsolvenzverfahren, hier für Februar 2023, basieren auf aktuellen Insolvenzbekanntmachungen aller Amtsgerichte in Deutschland. Sie weisen noch nicht die methodische Reife und Belastbarkeit amtlicher Statistiken auf und zählen daher zu den experimentellen Daten. Als Frühindikator gibt die Zahl der beantragten Regelinsolvenzverfahren jedoch Hinweise auf die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen nach der amtlichen Insolvenzstatistik, deren Ergebnisse erst rund zwei Monate später verfügbar sind.

Von den Insolvenzverfahren in Deutschland sind rund 30 % Regelinsolvenzverfahren, zu denen in erster Linie alle Verfahren von Unternehmen zählen (rund 55 % aller Regelinsolvenzverfahren). Außerdem findet das Regelinsolvenzverfahren Anwendung bei Personen, die wirtschaftlich tätig sind. Dazu gehören unter anderem die persönlich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (oHG), Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft sowie ehemals selbstständig Tätige, deren Vermögensverhältnisse als nicht überschaubar eingestuft werden. Zusätzlich werden beim Frühindikator aus technischen Gründen auch die Nachlass- und Gesamtgutinsolvenzverfahren miteinbezogen. Die Insolvenzstatistik erfasst keine Unternehmensschließungen, die unabhängig von einer Insolvenzantragspflicht aus anderen Gründen erfolgen.

Sonderregelungen in den Jahren 2020 und 2021 durch Corona und Hochwasser 

Beim zeitlichen Vergleich der Insolvenzzahlen für Unternehmen ist zu beachten, dass das Insolvenzgeschehen in den Jahren 2020 und 2021 von Sonderregelungen geprägt war. Von Anfang März 2020 bis Mai 2021 war die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen infolge der Corona-Pandemie ganz oder teilweise ausgesetzt. Beruhte der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Starkregenfälle oder des Hochwassers im Juli 2021, war die Insolvenzantragspflicht bis 31. Januar 2022 ausgesetzt.

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